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Bares ist Wahres

Geht es um die Insolvenz eines Unternehmens, steht meist der Schuldner im Mittelpunkt des Interesses. Rechtsexperte Dr. Markus Ackermann informiert über die Handlungsmöglichkeiten der ebenfalls betroffenen Gläubiger.

Das Insolvenzrecht bekam in den zurückliegenden Jahren eine Bedeutung, die so nicht vorauszusehen war. Nach einem erheblichen Anstieg der Insolvenzen seit 1998 beruhigte sich die Situation ab 2004. Doch dann kam die Finanzmarktkrise - ausgelöst von Immobilienspekulationen. Die Turbulenzen an den Finanzmärkten griffen schließlich auf die Realwirtschaft über. Zu Beginn des letzten Jahres stand die Weltwirtschaft daher nahe am Abgrund. Vor allem in den westlichen Industrieländern brach die Wirtschaftsleistung dramatisch ein. Eine Folge davon: Die Zahl der Insolvenzen ist in Deutschland deutlich angestiegen.

Die öffentliche Wahrnehmung und Berichterstattung in diesem Bereich ist jedoch unausgewogen. Im Mittelpunkt steht zumeist die Situation des Insolvenzschuldners, also derjenigen Person, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren (vorläufig) eröffnet wurde. Deutlich weniger Beachtung dagegen finden die Handlungsmöglichkeiten der ebenfalls von der Insolvenz betroffenen Gläubiger. Dieser Beitrag will daher darüber informieren, was Gläubiger in solch einer Situation tun können und sollen.

Der Gläubiger eines in wirtschaftliche Schieflage geratenen Schuldners ist vor allem daran interessiert, seine (Zahlungs-) Forderungen zu realisieren. Wie das Ziel im Einzelfall am Besten verfolgt wird, hängt besonders davon ab, wie weit der wirtschaftliche Verfall des Schuldners bereits fortgeschritten ist. Hat ein Gläubiger Zweifel an der Zahlungsfähigkeit eines Geschäftspartners, sollte er sich vor dem Abschluss neuer Geschäfte informieren, ob sich dieser eventuell bereits in einem Insolvenzverfahren befindet. Eine Hilfe dabei ist beispielsweise das Onlineportal www.insolvenzbekanntmachungen.de. Soweit das (vorläufige) Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet ist, der Schuldner aber bereits Zahlungsrückstände aufweist und wirtschaftliche Schwierigkeiten hat, bieten sich dem Gläubiger insbesondere drei Möglichkeiten an.

An erster Stelle steht das persönliche Gespräch mit dem Schuldner. Dieses sollte dazu dienen, das Geld oder Sicherheiten zu erlangen sowie Anfechtungsrisiken auszuschließen. An zweiter Stelle folgt die Einleitung eines Mahn- oder Klageverfahrens. Die dritte Möglichkeit ist schließlich, einen Insolvenzantrag bezüglich des Schuldnervermögens zu stellen.

Aus juristischer Sicht ist dem Gläubiger grundsätzlich zu empfehlen, Geld oder Sicherheiten entgegenzunehmen. Zwar ist dabei zu berücksichtigen, dass im Falle einer späteren Insolvenz des Schuldners der Insolvenzverwalter diese Leistungen unter Umständen anfechten und vom Gläubiger zurückfordern kann. Allerdings setzt dies die Geltendmachung eines Anfechtungstatbestandes durch den Insolvenzverwalter voraus.

 

Nimmt der Gläubiger Leistungen an, sollte er berücksichtigen, dass Sicherheiten in der Regel einem höheren Anfechtungsrisiko als die Entgegennahme von Geld ausgesetzt sind. Unabhängig davon sind allerdings sämtliche Leistungen, die der Gläubiger innerhalb von drei Monaten vor Insolvenzantragsstellung erhält, einem hohen Anfechtungsrisiko ausgesetzt.

Sicheren Schutz vor einer erfolgreichen Anfechtung bietet hier nur das Bargeschäft, also der unmittelbare, zeitlich nahe Leistungsaustausch von Leistung und Gegenleistung zwischen Gläubiger und Schuldner. Möglich und empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang, Leistung nur gegen Vorauszahlung zu erbringen. Letztere ist in aller Regel insolvenzfest.

Vor Einleitung eines Mahn- oder Klageverfahrens gegen den insolvenzgefährdeten Schuldner sollte der Gläubiger bedenken, dass er dabei ein erhebliches Kostenrisiko eingeht. Der Grund: Der Erstattungsanspruch von Gerichts- und Anwaltskosten unterliegt insolvenzrechtlich dem gleichen Schicksal wie die Hauptforderung. Das heißt auch, dass der Erstattungsanspruch bei der Insolvenzeröffnung zur Insolvenztabelle anzumelden ist. Einen Insolvenzantrag zu stellen sollte der Gläubiger nur dann in Erwägung ziehen, wenn er seine Forderung, insbesondere aber den Insolvenzgrund Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, gegenüber dem Insolvenzgericht glaubhaft machen kann. Dabei ist zu bedenken, dass dieser Antrag auch nicht gewollte Folgen zeitigen kann. Ist der Insolvenzantrag einmal gestellt, sollte der Gläubiger seine Forderungen und Ansprüche beim Insolvenzverwalter in jedem Fall rechtzeitig anmelden, das heißt innerhalb der vom Insolvenzverwalter gesetzten Frist. Zur Insolvenztabelle angemeldete Forderungen werden entsprechend ihrem Verhältnis zur Insolvenzmasse anteilig getilgt. Voraussetzung dafür ist, dass der Insolvenzverwalter diese als berechtigt anerkennt und zur Tabelle feststellt. Doch Enttäuschung auf Seiten der Gläubiger ist hier nicht selten vorprogrammiert: Die dabei erzielten Quoten fallen häufig verschwindend gering aus. Nach einem meist langjährigen Insolvenzverfahren erhalten Gläubiger so oft nur einen überschaubaren Anteil ihrer ursprünglichen Forderungen. Gerade vor diesem Hintergrund wird ersichtlich, weshalb die richtige Strategie des Gläubigers gegenüber dem in wirtschaftliche Schieflage geratenen Schuldner sehr wichtig ist. Ohne sichere insolvenzrechtliche Kenntnis ist die Wahl des optimalen Vorgehens aber sowohl im Vorfeld der Insolvenz als auch im Insolvenzverfahren des Vertragspartners nur schwer möglich. Es empfiehlt sich in solchen Fällen daher, eine Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen.

Dr. Markus Ackermann
adjuga Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Erschienen in econo 5/2010

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