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Mittel gegen Industriespionage: Die Know-how Richtlinie

In einer Geschäftswelt, die zunehmend auf Informationen als wertvollstem Rohstoff basiert, steigt die Bedeutung von Geschäftsgeheimnissen für Unternehmen kontinuierlich an. Gleichzeitig steigt in der global vernetzten Arbeitsumgebung das Risiko der unerwünschten Verbreitung solcher Geheimnisse. Aus diesem Grund verabschiedete das EU-Parlament die Richtlinie zum Schutz von vertraulichem Know-how und Geschäftsgeheimnissen. Die Richtlinie (kurz "Know-how Richtlinie" genannt) trat im Juli 2016 in Kraft und muss innerhalb von zwei Jahren in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union umgesetzt werden. Ziel der Richtlinie ist, eine Grundlage zur effektiven Abschreckung von Industriespionage zu schaffen.

Anders als im klassischen Immaterialgüterrecht (Patente, Marken und Urheberrechte) bei denen Schutzerlangung, Umfang und Abwehrrechte seit vielen Jahren immer weiter angeglichen werden, sind die Regeln zu Geschäftsgeheimnissen international sehr unterschiedlich ausgestaltet. Weil die EU Mitgliedstaaten sich - vom jeweils eigenen nationalen Recht ausgehend - so unterschiedlich dem Thema annäherten, dauerte es fast fünf Jahre bis das EU-Parlament schließlich den Entwurf verabschiedete.

Die Richtlinie bringt nun einen europaweit einheitlichen Schutz von geheimem Know-how und bietet dem berechtigten Inhaber verbesserte Anspruchsgrundlagen und stärkeren Rechtsschutz im Falle der Verletzung seiner Geschäftsgeheimnisse. Es handelt sich um dieselben Möglichkeiten, die auch einem Schutzrechtsinhaber im Falle der Verletzung seiner Rechte zustehen, nämlich Unterlassungs-, Auskunfts-, Beseitigungs-, Rückrufs- und Verbietungsansprüche sowie im Falle schuldhaften Handelns ein Anspruch auf Schadensersatz. Damit soll die unberechtigte Verwendung von Geschäftsge-heimnissen Dritter ein größeres wirtschaftliches Risiko mit sich bringen als bisher.

Ein "Geschäftsgeheimnis" liegt nach der Know-how Richtlinie vor, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: (1) Die Information muss geheim sein, (2) infolge dessen kommerziellen Wert besitzen und (3) durch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen des Berechtigten vor einer Offenbarung geschützt sein.

Kritisch hinterfragt werden darf, ob das Erfordernis der Werthaltigkeit der einzelnen Information bereits heute noch zeitgemäß ist. In einer Welt, in der der Wert von Daten sich zunehmend nicht aus einem konkreten Geheimnis sondern aus der Akkumulierung vieler Informationen ergibt (Stichwort: Big Data), kann auch der Verlust von einzeln und für sich betrachtet nicht werthaltiger Informationen das Geschäftsmodell eines Unternehmens gefährden.

Für die Praxis der meisten Unternehmen ist zudem von entscheidender Bedeutung, dass der Knowhow-Inhaber seine Geschäftsgeheimnisse "durch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen" vor einer unberechtigten Offenbarung sichern muss, um den Schutz der Richtlinie zu erlangen.

Die Rechtsprechung wird den unbestimmten Rechtsbegriff der "angemessenen Geheimhaltungs-maßnahmen" erst in Zukunft mit Leben füllen. Fest steht aber schon jetzt, dass in den Genuss des Rechtsschutzes nur kommt, wer in seiner Organisation einen entsprechend sorgfältigen Umgang mit Geschäftsgeheimnissen sicherstellt und die Prozesse so dokumentiert, dass er dies im Verletzungsfall nachweisen kann. Ein pauschaler Verweis, dass die Mitarbeiter generell arbeitsvertraglich zur Geheimhaltung verpflichtet sind, wird mit ziemlicher Sicherheit nicht ausreichen. Geschäfts-geheimnisse sollten dokumentiert werden und Unternehmen sollten erfassen, welche Mitarbeiter zu welchen geheimen Informationen Zugang haben und in welcher Form diese Mitarbeiter zur Vertraulichkeit verpflichtet wurden. Die Informationen selbst sollten durchgehend als "vertraulich / confidential" gekennzeichnet und Mitarbeiter mit Zugang zu Geschäftsgeheimnissen regelmäßig geschult werden. Unternehmen ist zu raten bereits vor der Umsetzung der Richtlinie in Deutschland entsprechende Strukturen zu schaffen.

Bemerkenswert an der Know-how Richtlinie ist außerdem, dass der Vorgang des "Reverse Engineering" ausdrücklich als zulässig angesehen wird. Dies steht im Widerspruch zu der in Deutschland von der Rechtsprechung geprägten Rechtsauffassung, dass die "Rückentwicklung" fremder Produkte, um sich einen eigenen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern zu verschaffen, regelmäßig als unlauteres Verhalten und damit als unzulässig zu werten ist. Unternehmer sollten daher vertragliche Vorkehrungen treffen und beispielsweise beim Verkauf ihrer Produkte vereinbaren, dass dem Käufer das "Reverse Engineering" verboten ist.

Damit deutsche Unternehmen die Know-how Richtlinie tatsächlich als wirkungsvolle Verteidigung gegen Industriespionage nutzen können, müssen sie dringend in der eigenen Organisation die dafür notwendigen Voraussetzungen schaffen.

Katrin Katz, LL.M.

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