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Schriftform und Textform: Was ist der Unterschied und worauf kommt es an?

Fast alle Verträge können ohne Einhaltung einer bestimmten Form abgeschlossen werden. Beim morgendlichen Bäckerbesuch wird ein Kaufvertrag über die gewünschten Frühstücksbrötchen geschlossen. Auch wenn hier die Erklärungen nur mündlich abgegeben werden ist jedermann klar, dass ein wirksamer Vertragsschluss vorliegt.

In der Geschäftswelt werden Verträge überwiegend schriftlich abgeschlossen. Dies dient dazu, Beweis über die Tatsache des Vertragsschlusses führen zu können und Klarheit über seinen Inhalt zu schaffen. Die Vertragsparteien sind dann nicht alleine auf ihre Erinnerung angewiesen, was vereinbart werden sollte.

Von der freiwilligen Wahl einer Form zu unterscheiden sind die Fälle, in denen das Gesetz bei bestimmten Verträgen und Willenserklärungen besondere Formen vorschreibt. Solche Formerfordernisse sollen in der Regel gesteigerte Beweis- oder eine Warnfunktionen erfüllen und weisen auf die besondere Tragweite der getroffenen Entscheidung des Erklärenden hin.

Das strengste Formerfordernis ist die notarielle Beurkundung einer Erklärung. Sie ist beispielsweise erforderlich beim Erwerb von GmbH-Anteilen oder Grundstücken. Danach kommt die gesetzliche Schriftform. Sie ist z. B. bei Mietverträgen über Wohnraum und deren Kündigung vorgeschrieben. Auch eine arbeitsrechtliche Kündigung bedarf der Schriftform. Die Schriftform kann aber auch in Verträgen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen als erforderlich vereinbart werden. Ist die Schriftform gesetzlich vorgegeben oder vereinbart, so muss das entsprechende Dokument, z. B. eine Kündigungserklärung, von dem Aussteller eigenhändig unterschrieben werden. Unerheblich ist ob das Dokument mit der Hand geschrieben, gedruckt oder kopiert ist. Wichtig ist, dass die Unterschrift den Text räumlich abschließt. Bei einem Vertrag müssen beide Parteien am Ende der Vertragsurkunde unterschreiben. Eine Sonderform stellt die Beglaubigung der Unterschrift unter einer in Schriftform abzugebenden Erklärung dar. Sie ist vor allem bei Eintragungen in öffentliche Register (z. B. Handelsregister, Grundbuch) erforderlich.

Bei der Textform handelt es sich um einen relativ junge Formvorschrift, die erst 2001 in das BGB integriert wurde. Der Gesetzgeber hat hier den Zeichen der Zeit Rechnung getragen, weil immer mehr Korrespondenz nicht mehr schriftlich per Post, sondern per Fax oder E-Mail erfolgt. Die Textform ist so etwas wie eine abgespeckte Schriftform. Für die Einhaltung der Textform genügt eine lesbare, aber unterschriftlose Erklärung, die nicht in einer Urkunde abgefasst sein muss. Es genügt, wenn auf andere Weise eine dauerhafte Wiedergabe in Schriftzeichen möglich ist. Gemeint sind Erklärungen per E-Mail oder SMS, die ebenfalls das Textformerfordernis erfüllen. Auch auf diesem Weg können also wirksam Verträge geschlossen werden.

Schriftform und Textform sind nicht gleichrangig. Die höherwertige Schriftform umfasst vielmehr auch die Anforderungen an die Textform. Während beim gesetzlichen Schriftformerfordernis die Übermittlung des Schreibens mittels Fotokopie, Telefax oder E-Mail wegen Fehlens der eigenhändigen Unterschrift unwirksam ist, erlaubt die Textform alle nicht-mündlichen Übermittlungsarten. Ist der Absender dem Briefkopf zu entnehmen, kann statt einer kopierten Unterschrift der Abschluss der Erklärung auch auf andere Weise deutlich gemacht werden, zum Beispiel durch Sätze wie "Ende des Schreibens". Wichtig ist, dass durch solche oder ähnliche Formulierungen erkennbar wird, wo die Erklärung endet.

Bereits seit 2001 ist es möglich, die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform durch eine elektronische Form - die sog. qualifizierte elektronische Signatur - zu ersetzen. Bislang hat sich diese Form aber nicht durchgesetzt, da die technischen Voraussetzungen und das Verfahren zum Erhalt eines so genannten Signaturschlüssels bei einem Zertifizierungsdiensteanbieter (z. B. Deutsche Post AG, Bundesnotarkammer) aufwändig ist.

Tilo Jung

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