VERSTEHENBERATENBEGLEITEN

 
Überlassung und Nutzung "gebrauchter" Software

Für Software aus zweiter Hand gibt es einen zunehmend interessanten Markt.

Überzählige Softwarenutzungsrechte im Unternehmen können zum Beispiel infolge von Umstrukturierungen, beim Abbau von Arbeitsplätzen aber auch beim Wechsel auf neuere Betriebssystemversionen entstehen. Diese nicht mehr benötigten Rechte können weiter veräußert werden. Der Verkäufer erhält dann einen Erlös aus möglicherweise bereits abgeschriebenen Wirtschaftsgütern, für den Erwerber kann sich eine erhebliche Preisersparnis gegenüber dem Neukauf ergeben. Der Gebrauchtmarkt ist besonders für Unternehmen interessant, die eine Software bereits einsetzen und Bedarf an der Ausstattung zusätzlicher Arbeitsplätze haben, einen teuren Nachkauf beim Hersteller aber vermeiden wollen.

Über längere Zeit fristete dieses Geschäft eher ein Nischendasein. Nach Schätzungen wurde dort nur ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag umgesetzt, während der mit Softwareprodukten erzielte Gesamtumsatz in Deutschland im Jahr 2011 bereits mehr als 15 Milliarden Euro betrug. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die etablierten Softwarehersteller (allen voran Oracle und Microsoft) vehement mit rechtlichen Mitteln gegen den aus ihrer Sicht unerlaubten Weiterverkauf bereits genutzter Software kämpften. Die Marktteilnehmer waren wegen einer Vielzahl von Gerichtsverfahren verunsichert, ob ein Weiterverkauf überhaupt wirksam umgesetzt werden kann. Nach der aktuellen "Usedsoft"- Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind nun einige der streitigen Konstellationen geklärt.

Rechtlich unkritisch waren die Fälle, in denen gebrauchte Software zur Nutzung auf nur einem Rechner (sog. Einzelplatzlizenz) zusammen mit dem Originaldatenträger weiterverkauft wurde. Hier tritt mit der ersten Veräußerung des Datenträgers als "Verkörperung des Werks" die "urheberrechtliche Erschöpfung" ein: Der Softwarehersteller als Inhaber des Urheberrechts hat seine Vergütung bereits beim ersten Verkauf erhalten und kann weitere Veräußerungen nicht verbieten.

Für andere Lizenzvarianten bei denen dem Erwerber eine sogenannte Volumenlizenz erteilt wurde und entweder eine Master CD ausgehändigt oder sogar nur eine Möglichkeit zum Download (ohne Überlassung eines physischen Datenträgers) geboten wurde, waren viele Einzelfragen streitig. Der rechtliche Rahmen ist nun durch die EuGH-Entscheidung wie folgt abgesteckt worden:

Der EuGH entschied, dass Software, die via Download durch den Ersterwerber bezogen wurde, trotz eines Verbots der Weiterveräußerung in den Lizenzbedingungen, weiter verkauft werden darf, da auch insoweit der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz eingreift. Folgende Voraussetzungen sind dabei einzuhalten:

1. Der verkaufende Ersterwerber darf keine Kopie der Software behalten und muss jegliche Nutzung einstellen.

2. Es darf keine Aufspaltung einheitlich erteilter Nutzungsrechte erfolgen.

Im entschiedenen Fall ging es um sogenannte Concurrent-Lizenzen des Herstellers Oracle, bei denen nach dem Download nur eine einzige Kopie der Software auf einem Server des Erwerbers abgelegt wird. Dazu erhält der Erwerber eine bestimmte Anzahl von Zugriffsrechten auf den Server. Da es sich dabei um eine einzige Lizenz handelt, kann diese nach Auffassung des EuGH nicht aufgeteilt (d. h. "aufgespalten") und teilweise weiter verkauft werden. Erlaubt ist nur der vollständige Verkauf der Server-Software zusammen mit allen Zugriffsrechten. Wenn der Ersterwerber ein Recht auf spätere Aktualisierungen der Software vom Urheber erworben hatte, geht auch dieses auf den zweiten Käufer über.

Zu "Volumenlizenzen", bei denen es sich um eine definierte Menge an Einzellizenzen handelt, die beispielsweise aus Marketing- und Vertriebsgründen im Paket verkauft werden, trifft das EuGH-Urteil keine ausdrückliche Aussage. Die Aufteilung dieser Pakete und deren teilweiser Weiterverkauf dürften nach der bisher vorliegenden Rechtsprechung der Landgerichte weiter zulässig sein.

Es ist zu begrüßen, dass der EuGH eine verlässliche und europaweit einheitliche Auslegung des Urheberrechts vorgegeben hat und damit auch bezüglich "gebrauchter" Software den freien Warenverkehr ermöglicht. Es bleibt noch abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof die Entscheidung in dem konkreten Rechtsstreit Usedsoft ./. Oracle umsetzen wird.

Dr. Tilo Jung

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