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Vereinbarung und Ausschluss des UN-Kaufrechts im internationalen Geschäftsverkehr

Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung beziehen immer mehr Unternehmen Waren aus dem Ausland. Oft ist der Erwerb von Produkten aus dem Ausland, seien es Produktionsmittel oder fertige und zum Verkauf bestimmte Produkte, im Vergleich zum Inlandsgeschäft wirtschaftlich vorteilhaft. Umgekehrt bietet der Export deutscher Produkte in das Ausland wichtige Erwerbschancen für die deutsche Wirtschaft. Die Rechtsanwälte Andreas Dömkes und Markus Schaller von der adjuga Rechtsanwaltsgesellschaft mbH geben im folgenden Aufschluss über die wichtigsten Aspekte der Vereinbarung des UN-Kaufrechts.

Im Falle grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs stellt sich aus rechtlicher Sicht neben den unverzichtbaren vertraglich zu regelnden Punkten auch die Frage nach dem auf den Kaufvertrag anwendbaren Recht. Die Vertragspartner müssen sich entscheiden, ob die Rechtsbeziehung dem nationalen deutschen Recht, der Rechtsordnung des ausländischen Vertragspartners oder der Anwendung des UN-Kaufrechts - United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods oder kurz "CISG" - unterstellt wird.

Das am 01. Januar 1988 in Kraft getretene UN-Kaufrecht gilt mittlerweile in 73 Staaten, wobei der Ratifizierungsprozess stetig fortschreitet. Vor diesem Hintergrund wäre zu erwarten, dass die Bedeutung des UN-Kaufrechts im internationalen Rechtsverkehr rasant steigt. Tatsächlich schließen die Vertragsparteien jedoch in der Praxis häufig kategorisch die Geltung des UN-Kaufrechts aus. Doch ist das sinnvoll?

Für den deutschen Unternehmer liegt die ausschließliche Vereinbarung des deutschen Kaufrechts näher. Bei einem Vergleich der Regelungen des deutschen Kaufrechts mit den Regelungen des CISG ist zunächst festzuhalten, dass das deutsche Recht nach der Schuldrechtsmodernisierung im Jahre 2002 erheblich an das CISG angepasst wurde. Daraus ergeben sich bereits weitgehende Parallelen. Gleichwohl finden sich immer noch Unterschiede zum Beispiel im Bereich der für die Praxis bedeutsamen Mängelhaftung. Der Käufer einer mangelbehafteten Ware hat zunächst zwar nach beiden Rechtsordnungen die Rechtsbehelfe Nacherfüllung bestehend aus Nachbesserung oder Ersatzlieferung, Rücktritt (ehemals Wandlung), Minderung und Schadensersatz. Jedoch kann der Käufer hinsichtlich seines Rechts auf Nacherfüllung nach deutschem Recht frei bestimmen, ob er die mangelhafte Sache nachgebessert oder eine neue, mangelfreie Sache (Ersatzlieferung) geliefert bekommen möchte. Im Rahmen des CISG steht dem Käufer das Recht auf Lieferung einer neuen Sache nur zu, wenn die Lieferung des mangelhaften Produkts eine wesentliche Vertragspflichtverletzung darstellt. Während dies für den Verkäufer vorteilhaft erscheint, handelt es sich für den Käufer um eine Einschränkung gegenüber den weitergehenden Rechten des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), das dem Käufer einen Anspruch auf Ersatzlieferung bei jedem - auch unwesentlichen - Mangel zugesteht.

Ähnliches gilt für den Rücktritt durch den Käufer wegen der Lieferung einer mangelhaften Sache, der nach dem CISG nur bei einer wesentlichen Vertragsverletzung möglich ist. Das BGB erlaubt dies bei einem Mangel der Kaufsache, wenn die Nachbesserung fehlgeschlagen und der Mangel nicht lediglich geringfügig ist. Auch insofern ist der Ansatz des BGB grundsätzlich käuferfreundlicher.

Praktisch bedeutsam sind auch die Unterschiede bei Schadensersatzansprüchen infolge der Lieferung einer mangelhaften Sache. Das CISG sieht eine sehr strenge Haftung des Verkäufers für Schäden auch dann vor, wenn sein Verschulden nicht feststeht. Das Verschuldensprinzip des BGB hingegen erfordert, dass der Verkäufer für solche Schäden nur dann haftet, wenn er den Mangel auch zu vertreten hat. Zwar greift hier eine Vermutung des Verschuldens zu Lasten des Verkäufers, es bleibt ihm aber die Möglichkeit des Gegenbeweises. Im Rahmen des CISG existiert diese Entlastungsmöglichkeit für den Verkäufer nicht; die Regelungen des CISG sind damit käuferfreundlicher.

Unterschiedlich geregelt sind auch die Möglichkeiten der Einschränkung von Mängelansprüchen durch den Verkäufer. Das CISG enthält die Pflicht des Käufers, Mängel innerhalb einer angemessenen Frist, in der Regel innerhalb eines Monats nach Entdeckung, dem Verkäufer anzuzeigen. Aus den Regelungen des Handelsgesetzbuchs (HGB) ergibt sich ebenfalls eine sogenannte Rügeobliegenheit des Käufers. Diese gilt allerdings nur dann, wenn es sich bei dem Geschäft um ein beiderseitiges Handelsgeschäft, d. h. ein Geschäft zwischen zwei Kaufleuten handelt. Freiberufler oder Kleingewerbetreibende als Käufer trifft die Rügeobliegenheit damit nach dem deutschen Recht nicht. Sie können ihre Mängelansprüche innerhalb der Verjährungsfrist jederzeit ohne Einhaltung einer Prüfungs- oder Anzeigepflicht geltend machen. Bei Vereinbarung des CISG hätten sie diese Rechte nicht. Hier erscheinen also die Regelungen des BGB und des HGB käuferfreundlicher.
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Regelungen des UN-Kaufrechts sehr flexibel sind und vertraglich geändert oder ganz ausgeschlossen werden können. Dies ist für die Regelungen des deutschen Rechts, insbesondere mit Blick auf die Rügepflicht nach dem HGB nur sehr eingeschränkt möglich.
Ein nicht zu unterschätzender Vorteil des CISG besteht in seiner Flexibilität als Regelungsgrundlage für Unternehmen, die im grenzüberschreitenden Warenhandel tätig sind. Gerade bei Uneinigkeiten zwischen den Vertragsparteien über die zu wählende Rechtsordnung stellt das CISG eine als neutral wahrgenommene Rechtsordnung zur Verfügung, die auf die Bedürfnisse des internationalen Warenverkehrs zugeschnitten ist und den vertraglichen Vereinbarungen einen weiten Gestaltungsspielraum lässt. Die Vereinbarung des CISG kann daher im Verhandlungspatt eine gute Kompromisslösung für beide Parteien darstellen. Dabei ist jedoch stets zu berücksichtigen, dass das CISG ausschließlich kaufrechtliche Aspekte, nicht aber damit zusammenhängende Regelungsbereiche, wie z. B. Fragen der Verjährung, des Verzugs oder der Aufrechnung regelt.
Zu beachten ist, dass das CISG für internationale Kaufverträge grundsätzlich vorrangig vor dem nationalen Recht gilt. Zum Ausschluss genügt nicht allein die ausschließliche Wahl deutschen Rechts. Vielmehr muss der Wille der Parteien, das UN-Kaufrecht abzuwählen, eindeutig aus der vertraglichen Abrede hervorgehen.

Ob letztendlich die Regelungen des BGB und HGB dem deutschen Vertragspartner Vorteile gegenüber den Regelungen des CISG bieten und der Ausschluss der Geltung des CISG sinnvoll ist, hängt vom Einzelfall ab. Maßgeblich sind die Bedeutung und Komplexität des Rechtsgeschäfts und die Interessenlage im Einzelfall, die wesentlich von der Rolle als Verkäufer oder Käufer abhängt. Insbesondere bei komplexen Beschaffungsverträgen ermöglicht das CISG eine Anpassung des Vertrags an die spezifischen Gegebenheiten, ohne den Rahmen der zwingenden Vorschriften des BGB und HGB einhalten zu müssen. Anstatt einer generellen und unreflektierten Abwahl des UN-Kaufrechts empfiehlt es sich daher, die Vor- und Nachteile der Geltung des CISG in jedem Einzelfall zu prüfen.

Andreas Dömkes, Markus Schaller
adjuga Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Erschienen in Business & Law Rhein-Neckar, 2009

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