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Wann verjähren Freistellungsansprüche?

In der rechtlichen Praxis gibt es bisweilen das Bedürfnis, neben Gewährleistungs- und Garantieansprüchen auch Freistellungsansprüche zu vereinbaren. Beispielsweise ist es in Unternehmenskaufverträgen heute nahezu die Regel, dass sogenannte "Freistellungen" in die Verträge aufgenommen werden. Eine Freistellung gewährt dem Begünstigten einen Anspruch gegen den Vertragspartner auf Befreiung von einem Anspruch, den ein Dritter gegen den Begünstigten erhebt. Sie unterscheidet sich von einer Garantie insbesondere dadurch, dass der Begünstigte keinen Erfüllungsanspruch erwirbt, sondern in die Situation versetzt wird, ein wirtschaftliches Risiko auf seinen Vertragspartner abwälzen zu können. Für den aus einer Freistellung Begünstigten ist zudem die Beweislastverteilung vorteilhaft: Wollte er einen Garantie- oder einen Gewährleistungsanspruch geltend machen, müsste er eine Pflichtverletzung beweisen. Dies kann sehr schwierig sein. Bei einer Freistellung genügt es in der Regel, wenn er die Inanspruchnahme durch einen Dritten nachweist, was normalerweise einfach ist.

Für die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen gibt es im deutschen Recht überwiegend klare gesetzliche Spezialregelungen. Für Freistellungen ist dies nicht der Fall. Die Grundsätze zur Verjährung von Freistellungsansprüchen wurden deshalb erst von der Rechtsprechung herausgearbeitet.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Freistellungsansprüche ebenso wie sonstige Ansprüche sofort fällig, soweit die Parteien nichts Abweichendes vereinbart haben. Daraus ergibt sich, dass die Verjährungsfrist im Grundsatz ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu laufen beginnt. Dies gilt nach der Rechtsprechung des obersten Zivilgerichtes auch bei Freistellungsansprüchen, die sich auf noch nicht fällige und der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten beziehen.

Seit der vor einigen Jahren durchgeführten Schuldrechtsreform beträgt die Verjährungsfrist für Freistellungsansprüche drei Jahre. Werden Drittansprüche erst nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist berechtigterweise erhoben oder fällig, kann es sein, dass ein Anspruch aus einer vertraglichen Freistellung nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden kann. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Anspruch des Dritten noch besteht, der Freistellungsanspruch aber bereits verjährt ist. Da es jedoch den Parteien unbenommen ist, die Fälligkeit von Ansprüchen vertraglich zu vereinbaren, kann die Verjährungsproblematik in Verträgen mittels entsprechender Klauseln entschärft werden. Eine solche Vereinbarung sollte explizit erfolgen. Wird dies unterlassen, kann zwar eine Vertragsauslegung ergeben, dass die Parteien den Beginn der Verjährung implizit geregelt haben. Aufgrund der bei einer Vertragsauslegung gegebenen Beweisschwierigkeiten ist eine ausdrückliche und eindeutige Gestaltung aber in jedem Fall vorzuziehen.

In der jüngeren Rechtsentwicklung hat der Bundesgerichtshof in einem von Besonderheiten geprägten Fall entschieden, dass die Verjährung von Freistellungsansprüchen erst mit der Fälligkeit des entsprechenden Drittanspruches begonnen hatte. Es bleibt abzuwarten, ob das Gericht diese Entscheidung auf sämtliche Freistellungsvereinbarungen erweitern wird. Bis dahin muss nicht nur die Rechtsentwicklung beobachtet, sondern auch bei der Vertragsgestaltung wie bisher besonderes Augenmerk auf die sorgfältige Formulierung von Freistellungsvereinbarungen gelegt werden.

Dr. Markus Ackermann

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