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Abwerbeverbote zwischen Unternehmern – ein wenig Licht im Dunkel

Die Entwicklung der Gesellschaft vom Produktions- in das Informationszeitalter hat zur Folge, dass bei vielen Unternehmen nicht mehr Grundstücke und Produktionsmittel zu den wertvollsten Assets gehören. Vielmehr wird neben dem geschützten geistigen Eigentum das unternehmenseigene Knowhow, also besondere Kenntnisse auf einem bestimmten Gebiet, immer wichtiger, um sich erfolgreich von den Mitbewerbern abzuheben. Träger dieses Know-how sind die gut ausgebildeten Fachkräfte der Unternehmen und es lässt sich nicht wie eine Marke oder ein Patent schützen. Viele Unternehmer fürchten daher den Verlust ihrer Know-how-Träger.

Der Arbeitnehmer kann unter bestimmten Voraussetzungen durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot davon abgehalten werden, direkt nach Beendigung des Arbeitsvertrags bei einem Wettbewerber des früheren Arbeitgebers zu arbeiten.

Häufig stellt sich jedoch auch die Frage, ob man als Unternehmer auch Dritten untersagen kann, die eigenen Angestellten abzuwerben. Eine Abwerbung bezeichnet das mittelbare oder unmittelbare nachhaltige Einwirken auf einen arbeitsvertraglich noch gebundenen Arbeitnehmer mit dem Ziel, diesen zur Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses (entweder mit dem Abwerbenden oder einem Dritten) zu veranlassen. Die Abwerbung kann von anderen Arbeitgebern und ihren Mitarbeitern oder von beauftragten Akteuren wie Personalberatern und Headhuntern ausgehen. Diese Einflussnahme auf Mitarbeiter anderer Unternehmen ist zulässig und zu dulden, solange sie nicht die Grenzen des unlauteren Wettbewerbs überschreitet. Diese Grenze wird überschritten, wenn Ziel der Abwerbung ist, den bisherigen Arbeitgeber zu schädigen, wenn versucht wird über das Abwerben Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des bisherigen Arbeitgebers zu erlangen oder wenn der Abwerbende den Arbeitnehmer zum Vertragsbruch verleitet. In diesen Fällen ist das Abwerben als unlautere Handlung einzustufen und nach §§ 1, 3 I UWG unzulässig.

Ist es aber möglich Dritten, mit denen der Unternehmer zusammenarbeitet, das Abwerben der eigenen Mitarbeiter zu untersagen? Diese Frage stellt sich häufig im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen im IT-Bereich. Der Unternehmer stellt seinen Kunden kostspielig ausgebildete Spezialisten zur Verfügung und hat Sorge, dass der Kunde den bei ihm eingesetzten Mitarbeiter abwirbt und die Arbeiten dann zukünftig durch eigenes Personal ausführen lässt. Der Unternehmer verliert in der Folge nicht nur das in dem ehemaligen Mitarbeiter liegende Know-how sondern auch die Chance auf zukünftige Aufträge des ehemaligen Kunden.

Gerade in der IT-Branche ist es daher üblich, in Verträgen zwischen Unternehmer und Kunden ein sogenanntes Abwerbeverbot aufzunehmen. Der Kunde verpflichtet sich vertraglich, dem Unternehmer gegenüber ein Abwerben der Mitarbeiter des Unternehmers zu unterlassen. Lange Zeit war umstritten, inwieweit eine solche Klausel zulässig ist.

In einer Entscheidung vom 30. April 2014 hat der BGH für etwas Licht im Dunkel gesorgt. Er hat festgestellt, dass Vereinbarungen zwischen Unternehmern sich nicht gegenseitig Arbeitskräfte abzuwerben gerichtlich nicht durchsetzbare Sperrabreden i. S. v. § 75f Satz 2 HGB darstellen. Entsprechende Klauseln sind zwar zulässig, ihre Einhaltung kann aber im Streitfall nicht gerichtlich durchgesetzt werden. Der BGH stellt allerdings weiter fest, dass § 75f Satz 2 HGB in bestimmten Fällen so einschränkend ausgelegt werden müsse, dass ein Abwerbeverbot als einklagbar anzusehen sei. Dies sei insbesondere der Fall, wenn das Abwerbeverbot nicht Hauptzweck der Vereinbarung, sondern einer besonderen Schutzbedürftigkeit Rechnung tragende Nebenbestimmung sei. Hierzu nennt der BGH beispielhaft: Eine Vereinbarung im Rahmen einer Due Diligence oder einer Unternehmensabspaltung sowie bei Vertriebsvereinbarungen. Zudem dürfe ein Abwerbeverbot im Regelfall nicht für einen über zwei Jahre hinausgehenden Zeitraum abgeschlossen werden.

Zwar lässt die Entscheidung des BGH noch einige Fragen offen, zumindest wird nun aber ein Rahmen für justiziable Abwerbeverbote vorgegeben: Abwerbeverbote sind grundsätzlich nur in Ausnahmefällen gerichtlich durchsetzbar, wenn besondere schutzbedürftige Interessen vorliegen. In den drei vom BGH genannten Fallgruppen ist davon auszugehen, dass diese schutzbedürftigen Interessen vorliegen. Das Abwerbeverbot sollte grundsätzlich auf eine Laufzeit von insgesamt zwei Jahren beschränkt sein. Auch wenn es noch eine Vielzahl von Konstellationen gibt, in denen weiterhin unklar ist ob ein Abwerbeverbot durchsetzbar ist, sollte die psychologische Wirkung solcher Vertragsklauseln nicht unterschätzt werden. Es kann daher in Einzelfällen ratsam sein, trotz der Rechtsunsicherheit ein Abwerbeverbot in Verträge aufzunehmen.

Katrin Katz, LL.M.

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