Fällt ein Schuldner in die Insolvenz, gehen die Gläubiger meist nahezu leer aus. Ansprüche können ab dem Zeitpunkt des Insolvenzantrages nur noch nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung geltend gemacht werden, in der Regel durch Anmeldung der Forderung zur Tabelle. Auf alle vom Insolvenzverwalter anerkannten Forderungen werden dann in Abhängigkeit von der verfügbaren Insolvenzmasse Quoten gezahlt. Insolvenzquoten von 2 bis 5 % sind die Regel, eine Quote von 10 % gilt bereits als Erfolg.
Gleichwohl wäre es falsch, die eigene Forderung angesichts der Insolvenz des Schuldners als aussichtslos abzuschreiben. Häufig stellt sich bei näherer Prüfung heraus, dass sogenannte Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, die eine bevorrechtigte Befriedigung von Forderungen ermöglichen.
Aussonderungsrechte liegen vor, wenn ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört. Der häufigste Fall ist die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes, bei dem das Eigentum an einem vom Schuldner erworbenen Gegenstand erst mit vollständiger Bezahlung auf diesen übergeht. Auch Miet- und Leasingverhältnisse begründen Aussonderungsrechte. Liegt ein solcher Fall vor, kann der Gläubiger die Herausgabe des an den Schuldner veräußerten oder überlassenen Gegenstands fordern, sofern dieser noch vorhanden ist. Häufig versuchen Insolvenzverwalter, derartige Aussonderungsrechte durch Geldzahlungen abzugelten, um eine Fortführung des Geschäftsbetriebes zu ermöglichen. Ob das sinnvoll ist, muss im Einzelfall geprüft werden.
Absonderungsrechte liegen vor, wenn ein Gegenstand zwar zur Insolvenzmasse gehört, jedoch mit Sicherheiten zugunsten von Gläubigern belastet ist. Die wichtigsten Fälle sind Grundpfandrechte, also beispielsweise Grundschulden, sowie gesetzliche oder vertragliche Pfandrechte an Forderungen oder beweglichen Sachen. Weitere Fälle sind die Sicherungsübereignung von Gegenständen und die Sicherungsabtretung von Forderungen. Liegt ein Absonderungsrecht vor, darf zwar in der Regel der Insolvenzverwalter den belasteten Gegenstand weiter nutzen und auch verwerten. Er muss jedoch den Erlös - abgesehen von einer Pauschale für die Masse - an den Gläubiger auskehren.
Auch die Vereinbarung eines sogenannten erweiterten oder verlängerten Eigentumsvorbehaltes führt zu Absonderungsrechten. In derartigen Fällen ist der Schuldner berechtigt, den unter Eigentumsvorbehalt stehenden Gegenstand weiter zu veräußern oder zu verarbeiten. Der Eigentumsvorbehalt wird dann ersetzt durch eine Abtretung der Forderung aus der Weiterveräußerung oder durch Miteigentum an dem aus der Verarbeitung entstandenen Erzeugnis. Dabei besteht oft das Problem, dass zahlreiche Lieferanten ähnliche Vereinbarungen mit dem Schuldner getroffen haben, jeder einzelne aber nicht in der Lage ist, nachzuweisen, auf welchen konkreten Gegenstand sich sein Anspruch aus dem verlängerten / erweiterten Eigentumsvorbehalt bezieht. In solchen Fällen wird meist ein sogenannter Lieferantenpool gebildet, bei dem ein Poolverwalter die Forderungen der absonderungsberechtigten Gläubiger bündelt und für alle eine Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter trifft. Auch hier sind die Quotenerwartungen meist deutlich höher als bei einfacher Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle.
Schließlich sollte vor Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle in jedem Fall geprüft werden, ob Gegenforderungen bestehen. Sofern sich zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung eine Aufrechnungslage besteht, wird diese durch die Insolvenz meist nicht berührt. Wechselseitige Forderungen können dann verrechnet werden.
Bestehen Aus- oder Absonderungsrechte oder die Möglichkeit zur Aufrechnung, wird nur der nach Realisierung dieser Rechte verbleibende Forderungsbetrag zur Ermittlung der Insolvenzquote herangezogen. Auf diese Weise können - entsprechende vertragliche Vereinbarungen und eine Geltendmachung der bestehenden Rechte vorausgesetzt - oft auch in der Insolvenz erhebliche Rückzahlungen auf bestehende Forderungen erreicht werden.
Uwe Pirl