Ein Grundpfeiler des Wirtschaftslebens ist das Vertrauen der Akteure auf die Einhaltung von Zusagen, die sie sich wechselseitig geben. Das Vertrauen erleichtert das Zusammenspiel der Marktteilnehmer, weil sie keine komplexen Kontroll- und Überwachungsmechanismen etablieren müssen. Der spanische Jesuit Baltasar Gracián y Morales bezeichnete das Vertrauen als die Mutter der Sorglosigkeit. So betrachtet erlaubt Vertrauen den am Wirtschaftsleben Beteiligten einen sorgenfreien Austausch von Leistungen.
Allerdings ist das Vertrauen - aus welchen Gründen auch immer - nicht stets vorhanden. Welche dramatischen ökonomischen Auswirkungen dies haben kann, zeigte die "Vertrauenskrise der Kreditwirtschaft", die vor wenigen Jahren das Wirtschaftsleben massiv traf. Aber auch unabhängig von der großen Vertrauenskrise der letzten Jahre stellt sich je und je die Frage, wie bei fehlendem Vertrauen dieses geschaffen werden kann. Ein mögliches Mittel, das Vertrauen eines Kaufmanns auf ein Versprechen seines Vertragspartner zu schaffen oder erhöhen, ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe.
Verletzt ein Vertragspartner eine vertragliche Pflicht, so ist er in der Regel zum Schadenersatz verpflichtet. Ist für einen Vertragspartner die Erfüllung bestimmter Pflichten von herausragender Bedeutung und fürchtet er, dass sein Kontrahent die Pflichterfüllung nicht mit der notwendig erscheinenden Ernsthaftigkeit vornehmen wird, kann durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe der Anreiz für ein vertragskonformes Verhalten erhöht werden.
Eine Vertragsstrafe kann grundsätzlich für jede Art von Pflicht vereinbart werden. Wird sie für das Nichterbringen einer Leistung versprochen, kann der Gläubiger der Strafe nicht beides - die Erfüllung und die Strafe - verlangen; er ist dann allein auf die Forderung der Strafe begrenzt. Ein derartiges Strafversprechen ist jedoch in der Praxis eher selten. Viel häufiger werden Vertragsstrafen für die nicht gehörige Erfüllung von Pflichten (z. B. die Nichteinhaltung bestimmter Termine) versprochen. Sie können auch dafür vereinbart werden, dass bestimmte Handlungen unterlassen werden. Die Strafe verfällt dann, wenn der Unterlassungspflicht zuwidergehandelt wird.
Bei Vereinbarung einer Vertragsstrafe ist es wichtig, die die Strafe auslösende Pflichtverletzung exakt zu beschreiben. Die Höhe der Strafe können die Parteien frei vereinbaren, eine Grenze stellt letztlich nur eine sittenwidrige Höhe der Strafe dar. Für Vertragsstrafen, die mit allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden, hat die Rechtsprechung Maßstäbe für eine zulässige Höhe der Vertragsstrafe entwickelt. Soweit die Verwirkung der Strafe vom Gläubiger mitverschuldet wird, wird die Vertragsstrafe entsprechend dem Mitverschuldensanteil des Gläubigers herabgesetzt.
Hat ein Vertragspartner einen Anspruch auf Bezahlung einer Vertragsstrafe, so erlischt dieser Anspruch meist wieder, wenn er nach Entstehen des Vertragsstrafenanspruchs die Leistung vorbehaltlos entgegen nimmt. Ebenso kann es zu einer sogenannten "Verfallbereinigung", d. h. einem Wegfall der Pflicht zur Bezahlung einer Vertragsstrafe nach Treu und Glauben kommen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn eine nur geringe Fristüberschreitung vorliegt und der Schuldner die Leistung zwar verspätet, aber vor dem Verlangen der Vertragsstrafe erbringt.
Ein weiterer Zweck, der bisweilen mit einer Vertragsstrafe verfolgt wird, ist die Pauschalierung von Schadenersatz. Mitunter kann eine Pflichtverletzung zu einem Schaden führen, der nur schwer bezifferbar ist, beispielsweise beim Bruch von Geheimhaltungspflichten. Durch eine Vertragsstrafe können die Parteien im Vorfeld den "Preis" für eine solche Pflichtverletzung festlegen, ohne dass ein aufwändiger Nachweis von Schäden im Einzelfall erfolgen muss.
Dem Nutzen einer Vertragsstrafe für den Gläubiger steht das Risiko eines solchen Versprechens für den Schuldner gegenüber. Die gesetzlichen Grundregeln zur Vereinbarung von Vertragsstrafen lassen zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten zu. Damit der Nutzen für den Gläubiger und das Risiko für den Schuldner in angemessenem und für beide Parteien annehmbaren Verhältnis stehen, ist auf die Formulierung solcher Vereinbarungen besonderes Augenmerk zu lenken.
Dr. Markus Ackermann