Viele Neuerungen des Wirtschaftsrechts beruhen auf vorangehenden Entwicklungen des (europäischen) Verbraucherrechts. Der Ruf nach dem Schutz der Verbraucher als schwächste Teilnehmer am Wirtschaftsgeschehen wurde schon bald nach Inkrafttreten des freiheitlich liberal geprägten deutschen bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hörbar, weil der notwendige „Tropfen sozialen Öls“ vermisst wurde. Wenn auch vielfach bedauert wird, dass dieser notwendige Schutz mittlerweile auf den Verkehr zwischen Unternehmern erweitert wird, so müssen sich Letztere dennoch mit der Realität auseinandersetzen, dass der Gedanke des Schutzes der Schwächeren auch im B2B Geschäft Geltung erlangt.
Zu Beginn des Jahres 2018 hat der deutsche Gesetzgeber ursprünglich nur im B2C Geschäft geltende Grundsätze verallgemeinert und auch für das B2B Geschäft als Maßstab festgelegt. Es geht dabei um Probleme beim Warenkauf und die Frage, inwieweit Ein- und Ausbaukosten nach Lieferung defekter Sachen vom Lieferanten verlangt werden können.
Grundsätzlich hat ein Käufer mangelhafter Ware Ansprüche auf Beseitigung von Mängeln oder Nachlieferung einwandfreier Ware. Hatte der Käufer die mangelhaften Produkte aber bestimmungsgemäß in eine andere Sache eingebaut, stand ihm ein Ersatz der Ein- und Ausbaukosten als Schadenersatzanspruch nur zu, wenn dem Verkäufer ein Verschulden vorzuwerfen war. Das ist in der Regel bei reiner Handelsware nicht der Fall. Hat ein Verbraucher beispielsweise Fliesen für sein neues Badezimmer gekauft und von einem Handwerker verlegen lassen, so musste er die Ein- und Ausbaukosten in der Regel selbst tragen, wenn sich die Fliesen später als mangelhaft herausstellten.
Dies wurde zunächst von der Rechtsprechung jedenfalls für Verbraucher als unbillig angesehen, so dass zu Gunsten von Verbrauchern seit einiger Zeit galt, dass die Ein- und Ausbaukosten vom Verkäufer verlangt werden können. Nun ist seit Anfang 2018 gesetzlich geregelt, dass dieses Prinzip grundsätzlich beim Verkauf von neuen Produkten gilt, so dass auch im B2B-Verkehr solche Kostenerstattungsansprüche bestehen. Somit können ab sofort auch Unternehmer gegen andere Unternehmer im Rahmen der Nacherfüllung diese Kostenerstattungsansprüche geltend machen. Geregelt ist das in dem neugefassten § 439 Abs. 3 S. 1 BGB.
Insbesondere für Lieferanten von industriell genutzten Komponenten ist dies eine wichtige Veränderung, denn die zusätzlichen Kosten müssen kalkulatorisch berücksichtigt werden. Wer Produkte verkauft, die bestimmungsgemäß in andere Sachen eingebaut werden, muss bei Lieferung mangelhafter Waren damit rechnen, solche Ein- und Ausbaukosten tragen zu müssen. Es besteht zwar die Möglichkeit, in individuellen Verträgen von der Regel abzuweichen, in allgemeinen Geschäftsbedingungen geht das jedoch nicht.
Allerdings hat der Gesetzgeber die Last nicht alleine dem Handel und den Verkäufern aufgebürdet. Diese können unter bestimmten Voraussetzungen ihrerseits die Kosten von ihrem Lieferanten ersetzt verlangen. In einer Handelskette führt dies dazu, dass die Letztverantwortung den Hersteller der Waren trifft, vorausgesetzt dass bestimmte Fristen eingehalten werden. Die Neuregelung ist sowohl beim Einkauf als auch beim Verkauf von Waren seit dem 1. Januar 2018 von Bedeutung und sollte beachtet werden.
Dr. Markus Ackermann