Nach dem Volksmund sind die beliebtesten Sprüche die Ansprüche. Aber was ist ein Anspruch im Rechtssinne? Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) definiert diesen nüchtern als: "Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen" (§ 194 BGB). Ein Anspruch kann mannigfaltige Inhalte haben; in Form eines Anspruchs auf Zahlung einer Geldsumme begegnet er häufig als Geldforderung.
Bei vertraglichen Ansprüchen ist die nähere Ausgestaltung den Vertragsparteien vorbehalten. Dabei gibt es bezüglich des Entstehens eines Anspruches, dessen Fälligkeit und der Befugnis, die Erfüllung von Ansprüchen zu verweigern, unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten.
Der Regelfall ist, dass Ansprüche sofort erfüllt werden müssen. Die Parteien können jedoch vereinbaren, dass ein Anspruch erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig wird. Ein solcher Anspruch wird von Juristen als "betagt" bezeichnet. Eine betagte Forderung entsteht somit mit Abschluss eines Vertrages, mangels Fälligkeit muss sie jedoch noch nicht erfüllt werden.
Vereinbaren die Parteien eines Vertrages, dass ein Anspruch erst in der Zukunft entsteht, wird er als "befristet" bezeichnet. Da in einem solchen Fall noch kein Anspruch besteht, kann auch noch kein Anspruch erfüllt werden.
Die Pflicht zur Erfüllung eines Anspruchs geht in der Regel Hand in Hand mit dem Recht des Schuldners, seine Leistung erbringen zu dürfen. Ist dies nicht der Fall - darf ein Schuldner seine Pflicht also nicht ohne Aufforderung durch den Gläubiger erfüllen - liegt ein verhaltener Anspruch vor.
Die Unterscheidung von Ansprüchen in befristete, betagte und verhaltene Ansprüche ist nicht nur graue Theorie der Juristen. Diese drei Varianten von Ansprüchen kommen häufig im Wirtschaftsleben vor. Besondere praktische Bedeutung kommt der Einteilung der Ansprüche dann zu, wenn beispielsweise die Frage aufgeworfen wird, wie diese Ansprüche buchhalterisch erfasst werden oder ob die Ansprüche nach einem bestimmten Zeitablauf noch befriedigt werden müssen.
Ein Beispiel: Wird im Rahmen eines Verkaufes die Kaufpreiszahlung gestundet, so ist das eine betagte Forderung. Die Forderung ist somit schon entstanden, sie muss aber noch nicht erfüllt werden. Der Anspruch des Vermieters auf Bezahlung der Miete hingegen ist bis zur Fälligkeit ein befristeter Anspruch. Denn nach der Rechtsprechung entstehen die Forderungen aus dem Mietvertrag frühestens mit Beginn der jeweiligen Periode, für die Miete bezahlt werden muss. Beim Finanzierungsleasing, das in weiten Teilen einem Mietvertrag entspricht, werden die Forderungen des Leasinggebers jedoch - ebenso wie beim Kaufvertrag - als betagte Forderungen eingestuft. Denn nach der Rechtsprechung sind die künftigen Leasingraten auch ein Entgelt für die vorweg vom Leasinggeber erbrachte Finanzierungsleistung. Während beim vorgenannten Leasingvertrag der Leasinggeber in seinen Büchern eine Forderung auszuweisen hat, ist das beim Mietvertrag nicht der Fall. Auch im Fall der Insolvenz einer Partei ist die Rechtsposition der anderen Partei je nach Anspruchsart unterschiedlich.
Auch der Zeitpunkt, ab dem die Erfüllung eines Anspruchs verweigert werden kann - ein Anspruch somit verjährt ist - ist unter anderem danach zu bestimmen, wie ein Anspruch ausgestaltet ist. Bei einem verhaltenen Anspruch beginnt die Verjährung frühestens dann, wenn der Gläubiger die Erfüllung verlangt. Anders ist das beispielsweise bei befristeten oder betagten Geldforderungen, deren Verjährung in der Regel mit dem Schluss des Jahres beginnt, in welchem der Gläubiger erstmals die Erfüllung verlangen kann.
Aufgrund der vielfältigen, individuellen Ziele, die mit einem Vertrag erreicht werden sollen, ist es ratsam, auch bei der Gestaltung von Ansprüchen große Sorgfalt walten zu lassen.
Dr. Markus Ackermann