VERSTEHENBERATENBEGLEITEN

 
Betriebliches Eingliederungsmanagement bei krankheitsbedingter Kündigung

a. Ausgangspunkt

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM) ist für erkrankte Arbeitnehmer eine wichtige Einrichtung, um während oder auch nach einer Krankheit wieder behutsam an die Arbeit herangeführt zu werden. Aus Sicht des Arbeitgebers ist die Zielrichtung einer bEM-Maßnahme, kranke Arbeitnehmer wieder in den Betrieb einzugliedern, ihre Fehlzeiten zu verringern, einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und bei langfristigen Erkrankungen den Arbeitsplatz des Mitarbeiters idealerweise zu erhalten.

Denkbar und nicht selten sind aber auch Situationen, in denen der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines bEM erneut länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt. Es stellt sich dann die Frage nach einem aktualisierten bEM, das auf die veränderte Situation des Arbeitnehmers abstellt.

Einen solchen Fall hatte kürzlich das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden. Das Urteil zu Gunsten des Arbeitnehmers machte deutlich, dass der Arbeitgeber in einem solchen Fall grundsätzlich ein neuerliches bEM durchführen muss. Unterlässt er dies, ist eine später ausgesprochene Kündigung gegenüber dem betreffenden Arbeitnehmer aufgrund der Krankheit unverhältnismäßig und damit sozial ungerechtfertigt im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG).

b. Begründung des BAG

Jede ordentliche krankheitsbedingte Kündigung unterliegt dem Ultima Ratio Prinzip. Sie ist als eine auf Gründe in der Person des Arbeitnehmers gestützte Kündigung dann unverhältnismäßig, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Dies ist der Fall, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt. Dazu gehören Maßnahmen wie die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - seinem Gesundheitszustand entsprechenden - Arbeitsplatz. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann sich die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, vor Ausspruch einer Kündigung dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, z. B. spezifische Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch künftige Fehlzeiten auszuschließen oder zumindest zu verringern.

Der Arbeitgeber kann sich zwar im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich zunächst auf die Behauptung beschränken, für den Arbeitnehmer bestehe keine andere seinem Gesundheitszustand entsprechende Beschäftigungsmöglichkeit. War der Arbeitgeber jedoch gem. § 167 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX zur Durchführung eines bEM verpflichtet und ist er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, ist er darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass auch ein bEM nicht dazu hätte beitragen können, neuerlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten entgegenzuwirken. Die Durchführung eines bEM ist zwar nicht selbst ein milderes Mittel gegenüber der Kündigung, die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs konkretisieren aber den einzuhaltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

c. Empfehlung

Mit Hilfe eines bEM können mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkannt und entwickelt werden. Unterbleibt die Überprüfung, kann dies zur Unwirksamkeit einer ausgesprochenen Kündigung führen. Der Arbeitgeber muss daher vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung das bEM als deren formelle Voraussetzung durchführen und unter Umständen auch wiederholen.

Steffen Zimmermann

» zur Übersicht