VERSTEHENBERATENBEGLEITEN

 
CSR-/Nachhaltigkeitsberichtspflicht auch für mittelständische Unternehmen?

Unternehmen werden heute zunehmend nicht mehr nur nach ihren Finanzdaten bewertet und befragt. Sogenannte nichtfinanzielle Informationen zu Themen wie die Achtung der Menschenrechte, Umweltbelange oder soziale Belange bilden einen wichtigen Bereich der Unternehmens-kommunikation. Investoren, Unternehmen sowie Verbraucher verlangen vor allem mehr und bessere Informationen über die Geschäftstätigkeit von Unternehmen um zu entscheiden, ob sie investieren, Lieferbeziehungen eingehen oder Produkte erwerben und nutzen wollen. Diese allgemeine gesellschaftliche Verantwortung wird häufig unter dem Begriff Corporate Social Responsibility ("CSR") zusammengefasst. Von der Europäischen Kommission wird CSR dabei verstanden als "Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft".

Die Funktion der Rechnungslegung besteht in erster Linie darin, für die Unternehmenssteuerung und zugleich für externe Nutzer relevante Informationen bereitzustellen und so ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens sowie seiner Entwicklung mit Blick auf Chancen und Risiken zu vermitteln. Dies ist zukünftig nur unter Einbeziehung von Aspekten der CSR möglich. Deshalb ist auf europäischer Ebene die Richtlinie 2014/95/EU zur Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, die sogenannte "CSR-Richtlinie", verabschiedet worden. Die CSR-Richtlinie ist bis zum 6. Dezember 2016 in deutsches Recht umzusetzen.

In Deutschland liegt zur Umsetzung nun der Regierungsentwurf zur Änderung und Ergänzung einzelner Vorschriften im Handelsgesetzbuch (HGB) vor. Der Entwurf wird baldmöglichst das weitere Gesetzgebungsverfahren durchlaufen und soll das HGB wie folgt ändern:

§ 289b HGB neue Fassung: Große kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften (d. h. solche die entweder mehr als 20 Mio. Euro Bilanzsumme oder 40 Mio. Euro Umsatz aufweisen) und die im Jahresdurchschnitt konsolidiert (unter Berücksichtigung der Mitarbeiterzahlen in konsolidierten ausländischen Tochtergesellschaften) mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, müssen im Lagebericht eine nichtfinanzielle Erklärung abgeben oder einen gesonderten nichtfinanziellen Bericht erstellen.

§ 289c HGB neue Fassung: Diese nichtfinanzielle Berichterstattung muss folgende Mindestinhalte umfassen:

  • Beschreibung des Geschäftsmodells
  • Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange
  • Achtung der Menschenrechte
  • Bekämpfung von Korruption und Bestechung

Zu all diesen nichtfinanziellen Belangen soll die Gesellschaft ihre Konzepte bezüglich ihrer Einhaltung und zum Schutz vor Risiken vorstellen. Es ist darzustellen, ob bereits bestimmte Maßnahmen ergriffen und welche Ergebnisse erzielt wurden. Hinzu kommen verpflichtende Angaben zu Due-Diligence-Prozessen und zu den wichtigsten nichtfinanziellen Leistungs-indikatoren der Gesellschaft. In diesem Zusammenhang ist vor allem § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB n. F. hervorzuheben, wonach sich die Berichtspflichten auf "die wesentlichen Risiken, die mit den Geschäftsbeziehungen der Kapitalgesellschaft, ihren Produkten und Dienstleistungen verknüpft sind" erstrecken.

Sofern die Gesellschaft zu einem der Belange kein Konzept verfolgt, muss sie dies begründen.

Alle kapitalmarktorientierten Unternehmen müssen sich daher bereits heute die Frage stellen, ob durch die neuen Regelungen zur Berichterstattung künftig auch für sie eine Pflicht zur sogenannten "nichtfinanziellen Berichterstattung" besteht. Unmittelbar betroffen werden nach Schätzungen im Regierungsentwurf "nur" etwa 550 inländische Unternehmen sein.

Nach Erwägungsgrund 8 der CSR-Richtlinie sollen die Berichtspflichten ausdrücklich nicht zu übermäßigem Verwaltungsaufwand für kleine und mittlere Unternehmen führen. Berichtspflichtige Unternehmen sollten daher nach der Richtlinie ihre Pflichten nicht pauschal an kleine und mittlere Unternehmen in ihrer Lieferkette weitergeben dürfen. Es versteht sich aber von selbst, dass die unmittelbaren Adressaten der Berichtspflicht diese inhaltlich nur erfüllen können, wenn ihnen ihre Zulieferer und Geschäftspartner die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der soeben zitierten Bestimmung in § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB n. F. und kann als mittelbare Berichts- oder Informationspflicht bezeichnet werden.

Zukünftig müssen sich alle Unternehmen, die eine Geschäftsverbindung zu einem Großunternehmen unterhalten, inhaltlich mit CSR und den berichtspflichtigen Themen beschäftigen. Von der mittelbaren Berichtspflicht werden potenziell sehr viele mittelständische und kleinere Unternehmen betroffen sein.

Es ist sicher, dass die berichtspflichtigen Unternehmen mit detaillierten Anforderungen an ihre sämtlichen Geschäftspartner herantreten werden, um die notwendigen Informationen für ihre eigenen Berichte zusammentragen zu können. Dies wird auch Gegenstand von zukünftigen Verhandlungen über Einkaufs- und Lieferbeziehungen werden und ist in angemessener Weise bei der Vertrags-gestaltung zu berücksichtigen.

Dr. Tilo Jung

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