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Der neue § 129 BetrVG im Zusammenhang mit der Corona-Krise

Die Corona-Pandemie stellt Unternehmen vor enorme Herausforderungen gerade auch dann, wenn Arbeitsplätze erhalten und gesichert werden sollen. Viele wichtige Maßnahmen wie die Einführung von sozialen Verhaltensvorgaben (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG), Maßnahmen zum Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG), die Einführung von Kurzarbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) oder Betriebsferien (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG) und sie begleitende Maßnahmen wie die Versetzung von Mitarbeitern (in das Home Office, § 99 BetrVG) erfordern in Betrieben mit Betriebsrat seine Mitwirkung (soweit - wie häufig - keine tarifliche Regelung besteht). Zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit der Betriebs- und Personalräte wurde vom Bundestag in der parlamentarischen Sitzung am 23.04.2020 in dem „Arbeit-von-Morgen-Gesetz“ eine Regelung über Online-Betriebsratssitzungen durch die Einführung des neuen § 129 BetrVG beschlossen. Danach gelten für Arbeitgeber und Betriebsräte ab Inkrafttreten neue Regeln, vor allem hinsichtlich der Formalien zur Abhaltung von notwendigen Sitzungen.

a. Folgende Regelung ist neu gefasst:
Der neue § 129 BetrVG sieht Sonderregelungen aus Anlass der Covid-19-Pandemie vor. Die betreffende Vorschrift lautet auszugsweise wie folgt:
“ (1) Die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats, [...] sowie die Beschlussfassung können mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nahmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig. § 34 Abs. 1 S. 3 BetrVG gilt mit der Maßgabe, dass die Teilnehmer ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform bestätigen. Gleiches gilt für die von den in Satz 1 genannten Gremien gebildeten Ausschüsse. ...

 

b. Inhalt der neuen Vorschrift
Die bislang geltenden Regelungen zu den Betriebsratssitzungen nach §§ 29-35 BetrVG werden durch § 129 Abs. 1 BetrVG erweitert und folgende Voraussetzungen müssen beachtet werden:
1. Dritte dürfen vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können,
2. keine Anfertigung von Aufzeichnungen,
3. Bestätigen der Anwesenheit der Teilnehmer in Textform.
Die Punkte 2 und 3 bestätigen den in § 30 S. 4 BetrVG enthaltenen Grundsatz der Nichtöffentlichkeit von Betriebsratssitzungen. Um die nach § 34 Abs. 1 S. 3 BetrVG notwendige Niederschrift einer Anwesenheitsliste sicherzustellen, müssen die Teilnehmer ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform - also z. B. per E- Mail oder SMS – bestätigen

Auch hier müssen technische und organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, um Unbefugten den Zugriff auf das System, die Unterlagen und die Besprechung zu verwehren. Dies kann z. B. durch eine Verschlüsselung der Verbindung und die Nutzung eines nichtöffentlichen Raumes während der Dauer der Sitzung geschehen.

Nach einer Pressemitteilung der Bundesregierung vom 15.05.2020 soll die Regelung für Betriebsräte bis zum 31.12.2020 gelten. Damit bereits über diese Kommunikationsform gefasste Beschlüsse rechtswirksam bleiben, sollen die Regelungen rückwirkend zum 01.03.2020 in Kraft treten.

Steffen Zimmermann

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