VERSTEHENBERATENBEGLEITEN

 
Der Umgang mit geistigem Eigentum beim Unternehmenskauf

Bei der Bewertung von Unternehmen treten die physischen Vermögenswerte, wie zum Beispiel Immobilien, Lagerbestände oder Fuhrpark, gegenüber den Immaterialgütern eines Unternehmens immer weiter in den Hintergrund. Dies betrifft nicht nur Unternehmen, deren Waren dem Bereich der Hochtechnologie zuzuordnen sind. Auch in der traditionellen herstellenden Industrie oder in der Dienstleistungsbranche spielen im globalen Wettbewerb immaterielle Wirtschaftswerte eine immer größer werdende Rolle. Dies führt dazu, dass in vielen Fällen beispielsweise der Erwerb des Markenoder Patentportfolios des zu verkaufenden Unternehmens das eigentliche Ziel des Unternehmenskaufs ist. Anders als die körperlichen Wirtschaftsgüter sind die immateriellen Rechte jedoch gerade wegen ihrer Intangibilität besonders schwer zu fassen. Im Folgenden zeigen die Rechtsanwälte Katrin Wentzensen und Andreas Dömkes von der adjuga Rechtsanwaltsgesellschaft mbH auf, was bei einem Unternehmenskauf mit Blick auf das geistige Eigentum zu beachten ist.

Geistiges Eigentum bei der Due Diligence
Die Befassung mit dem geistigen Eigentum des Zielunternehmens beginnt bereits in einem frühen Stadium der Verhandlungen, nämlich während der sogenannten „Due Diligence“. Die Due Diligence ist die Begutachtung der rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte im Vorfeld der Akquisition eines Unternehmens. Hierbei prüfen die Berater des Interessenten rechtliche, teuerliche und finanzielle Dokumente des Zielunternehmens, um mögliche Risiken und Chancen der Transaktion zu erkennen und den Wert des Zielobjekts zu bestimmen. Hier empfiehlt es sich, wischen den registrierten und den registerlich nicht erfassten Rechten zu unterscheiden.
Registerrechte sind diejenigen Immaterialgüterrechte, deren Bestand von der Registrierung bei einer Behörde abhängig ist. Hierzu gehören Marken, Patente, Gebrauchsmuster sowie Geschmacksmuster. Bei diesen Schutzrechten ist es möglich, erste Informationen zum formellen Bestand und Umfang des Rechts durch Recherche in den einschlägigen Registern (bei deutschen Rechten die Register des Deutschen Patent- und Markenamts, kurz DPMA) zu verifizieren. Durch Recherche der dort veröffentlichten Patentliteratur kann beispielsweise der Schutzbereich oder das Alter eines Patents des Zielunternehmens ermittelt werden, ebenso sind Informationen darüber verfügbar, in welcher Form und für welche Waren oder Dienstleistung eine Marke eingetragen ist. Neben den durch diese Recherche zu erlangenden Informationen sollten weitere Punkte hinterfragt werden. So gilt zwar bei registrierten Rechten der Eingetragene auch als Inhaber des Rechts – dies muss jedoch nicht zwangsläufig mit dem aktuellen Stand übereinstimmen. Eine Übertragung der Rechte ist – anders als zum Beispiel bei Immobilien – ohne entsprechenden Vermerk im Register wirksam. Im Rahmen der Due Diligence sollte daher auch Einsicht in Lizenz- oder Verkaufsverträge des Zielunternehmens genommen werden.
Bei nicht registriertem geistigem Eigentum sind die Möglichkeiten der Überprüfung im Rahmen der Due Diligence weiter eingeschränkt. Hierzu zählen Urheberrechte, geschäftliche Bezeichnungen oder auch Know-how. Auch diese Rechte können von ausschlaggebender Bedeutung für ein Unternehmen sein. So wird in Deutschland zum Beispiel Software über das Urheberrecht geschützt. Allerdings entsteht dieser Schutz unabhängig von einer Eintragung in ein Register, allein durch die Schöpfung des Werkes bei der natürlichen Person des Werkschaffenden. Weder die Entstehung noch die Übertragung des Rechts müssen dokumentiert werden. Es lässt sich daher nur schwer überprüfen, ob die Nutzungsrechte an einem urheberrechtlichen Werk auch ordnungsgemäß von dem Arbeitnehmer, der die Software programmiert hat, auf den Arbeitgeber – also das Zielunternehmen – übergegangen sind. Eine abschließende Klärung über Bestand und Inhaberschaft von solchem nicht registrierten geistigen Eigentum ist daher im Rahmen der Due Diligence nicht möglich und die zur Verfügung gestellten Informationen können nur zurückhaltend bewertet werden.

Bewertung des geistigen Eigentums
Das geistige Eigentum eines Unternehmen s kann einen erheblichen Anteil des Wertes des Unternehmens darstellen. Zum Beispiel wird allein die Marke SAP auf einen Wert von knapp 11 Mrd. Dollar geschätzt. Der Wert der Marke Coca Cola soll sogar mehr als 65 Mrd. Dollar betragen und damit rund 70 % des gesamten Unternehmenswertes ausmachen. Es stellt sich daher immer die Frage des tatsächlichen Wertes der Rechte des Zielunternehmens.
Dieser kann in den meisten Fällen im Wege der Lizenzanalogie ermittelt werden. Dabei wird der Wert angesetzt, den man auf dem Markt bei Lizenzierung des Rechts verlangen könnte. Hierfür existieren weitreichende Erfahrungswerte in den unterschiedlichen Branchen, die den dort üblichen Rahmen aufzeigen.

 
Ob der Wert eines Schutzrechts eher am oberen oder am unteren Ende dieser Spanne anzusiedeln ist, ist von verschiedenen Faktoren wie Alter oder Schutzumfang abhängig. Diese Faktoren können je nach Schutzrechtsart eine ganz unterschiedliche Rolle spielen. So wird sich die Tatsache, dass ein Patent bereits seit 15 Jahren registriert ist, eher wertmindernd auswirken, da der Schutz bald ausläuft. Dagegen wird die Tatsache, dass eine Marke seit 15 Jahren registriert ist und seitdem umfangreich genutzt wird, zu einer großen Bekanntheit in den angesprochenen Verbraucherkreisen und damit zu einem höheren Wert führen.
Ein weiterer Faktor bei der Ermittlung des Wertes eines Schutzrechts kann die Schutzrechtsgeschichte sein. Ist der Markeninhaber konsequent gegen Dritte vorgegangen, die mit der Marke verwechslungsfähige Zeichen verwendet haben, so hat er dadurch die Unterscheidungskraft und gleichzeitig den Wert seiner Marke gesteigert. Hat er dagegen zugelassen, dass Dritte mit der Marke ähnliche Zeichen im geschäftlichen Verkehr verwendet haben, „verwässert“ sein Recht und der Wert der Marke sinkt.
Mitunter stellen auch registrierte Schutzrechte faktisch gar keinen oder sogar einen negativen Wert für ein Unternehmen dar, da sie keinerlei Nutzen bringen, sondern lediglich Kosten verursachen. So halten viele Unternehmen an alten und damit teuren Patenten fest, ohne dass diese im Unternehmen genutzt oder an Dritte lizenziert werden oder in sonstiger Weise werthaltig sind.

Einbeziehung des geistigen Eigentums in den Unternehmenskaufvertrag
Zur rechtlich wirksamen Übertragung erforderlic h ist die explizite Aufführung aller Immaterialgüter im Unternehmenskaufvertrag lediglich bei der Übertragung der einzelnen Unternehmenswerte (sogenannter asset deal). Werden die Anteile des Zielunternehmens hingegen im Rahmen eines share deal (Übertragung der Eigentumsanteile am Rechtssubjekt des Zielunternehmens selbst) erworben, geht auch das geistige Eigentum in seiner Gesamtheit auf den Erwerber über.
Es empfiehlt sich jedoch auch hier allein aus Gründen der Klarheit bei Fragen der Rechtsmängelhaftung, alle Schutzrechte in dem Vertrag zu benennen. Dies ist von besonderer Bedeutung bei nicht registrierten Immaterialgüterrechten wie Know-how, da bei diesen besonders schnell Auseinandersetzungen darüber entstehen können, ob sie bei Erwerb des Unternehmens bereits vorhanden waren oder nicht. Ein Verzicht auf klare und eindeutige Regelungen zum Umgang mit geistigem Eigentum im Unternehmenskaufvertrag kann daher auch beim share deal teure Folgen haben.

Fazit
Auch in den Fällen, in denen der Erwerb von geistigem Eigentum nicht erklärtes Ziel eines Unternehmenskaufs ist, spielt es doch in jedem Stadium der Akquisition eine nicht zu unterschätzende Rolle. Bei der Due Diligence empfiehlt es sich, Wert auf weitreichende Klärung der Rechtsverhältnisse zu legen. Auch bei der Ermittlung des Wertes des Unternehmens kann ein Blick in das Marken- oder Patentportfolio ausschlaggebend sein. Schließlich sollte auch bei der Gestaltung des Unternehmenskaufvertrages die Frage der Schutzrechtsübertragung
angemessen berücksichtigt werden.

Katrin Wentzensen, Andreas Dömkes
adjuga Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Erschienen in Business & Law Rhein-Neckar, 2008

» zur Übersicht