VERSTEHENBERATENBEGLEITEN

 
Entscheidungskriterien bei der Rechtswahl im internationalen Geschäft

Ist eine Transaktion international und grenzüberschreitend, stellt sich häufig in Verhandlungen die Frage, welches Recht für die Geschäftsbeziehung maßgeblich sein soll. Weil keine Partei der anderen einen Heimvorteil gewähren will, wird bisweilen der Wunsch geäußert, eine „neutrale“ Rechtsordnung zu wählen. Dieser Wunsch verkennt aber, dass nahezu jede staatliche Rechtsordnung grundsätzlich neutral ist und keiner Partei einen unfairen Vorteil gewähren möchte. Sie muss in der Regel für alle Personen in ihrem Herrschaftsbereich jeweils angemessene Regelungen für einen Konfliktfall bereitstellen.

Im Wirtschaftsrecht erlauben die meisten Rechtsordnungen bei grenzüberschreitenden Verträgen das geltende Recht zu wählen. Besteht diese Freiheit, können die Parteien jedes staatliche Recht für ihren Vertrag wählen. Die Wahl anderer, nichtstaatlicher Rechtsordnungen wie zum Beispiel der Scharia oder der Halacha ist nicht möglich. Auch die alleinige Wahl von Handelsbräuchen, die sogenannte lex mercatoria, ist keine wirksame Rechtswahl.

Erfolgt keine Rechtswahl, ist im internationalen Geschäft häufig zweifelhaft, welches Recht gilt. Wie diese Lücke geschlossen wird, kann je nach anwendbarer Rechtsordnung unterschiedlich sein. Legt beispielsweise bei einem Kaufvertrag das europäische Recht fest, dass der gewöhnliche Aufenthaltsort des Verkäufers das geltende Recht bestimmt, wird in den USA häufig auf den Ort des Vertragsschlusses oder den Erfüllungsort geschaut. Schließt ein deutscher Verkäufer in Florida einen Vertrag mit Erfüllungsort in Iowa ab, ohne eine ausdrückliche Rechtswahl vorzunehmen, können mehrere Rechtsordnungen für dieses Geschäft diskutiert werden (deutsches Recht, Recht des Staates Iowa, Recht des Staates Florida).

Der „Heimvorteil“ ist bei der Rechtswahl für viele Unternehmen ein wichtiges Kriterium. Die heimische Rechtsordnung und die typischen Vertragspflichten sind der Vertragspartei zumindest in ihren Grundzügen bekannt. Lässt sie sich auf ein anderes Recht ein, so kann sie oftmals schon nicht vollständig ihre Pflichten nach der anderen Rechtsordnung beurteilen. Das kann zu Überraschungen führen, wie folgendes Beispiel verdeutlicht: In Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern wie Italien, Frankreich und den USA ist die Geltung des Prinzips von Treu und Glauben eine selbstverständliche vertragliche Grundlage. Nicht so im Englischen Recht, das kein allgemeines Prinzip des good faith kennt; die Parteien können dies zwar vereinbaren, ohne eine solche Vereinbarung kommt es in der Regel aber nicht zur Anwendung.

Auch wenn das Heimatrecht im Vertrag vereinbart wird, ist zu beachten, dass dieses möglicherweise nicht vollumfänglich gilt. In Europa gilt beispielsweise der Grundsatz, dass das gewählte Recht insoweit nicht anzuwenden ist, als von einer Partei billigerweise nicht erwartet werden kann, ihr Verhalten an den Regeln eines fremden Rechts auszurichten, wenn es ihr im konkreten Fall ausnahmsweise nicht erkennbar war (Art. 10 Abs. 2 ROM-I VO). Ein klassisches Beispiel dafür ist das in Deutschland anwendbare kaufmännische Bestätigungsschreiben. Dessen Regeln sind dem ausländischen Recht nicht bekannt und ein solches Schreiben hätte trotz Wahl des deutschen Rechtes gegenüber einem Geschäftspartner in Frankreich nicht die Rechtswirksamkeit wie unter zwei deutschen Kaufleuten.

Die Geltung des „Heimatrechts“ kann jedoch nicht immer durchgesetzt werden. Es kann sogar gute Gründe geben, das deutsche Recht zu vermeiden, insbesondere, wenn die in Deutschland recht strenge AGB-Kontrolle durch die Gerichte im B2B-Geschäftsverkehr vermieden werden soll.

Es gibt daher keine pauschal gültigen Regeln, welche Rechtsordnung für eine internationale Transaktion jeweils am Günstigsten ist. Alle Besonderheiten des Einzelfalls sind zu berücksichtigen. Bei der Abwägung sind auch prozessuale und vollstreckungsbezogene Überlegungen anzustellen. Insbesondere die folgenden Fragen sollten gestellt und beantwortet werden: (a) Aus welcher Rechtstradition stammt die Rechtsordnung und wie stark weicht sie von den Prinzipien des Heimatrechtes ab? (b) Wie häufig fallen wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten in dem Staat der gewählten Rechtsordnung an? Sind sie eher selten, so besteht das Risiko, dass es wenig Präzedenzfälle und wenig Erfahrung bei den Gerichten gibt. (c) Ist ein staatliches Urteil gegen den Gegner an seinem Sitz vollstreckbar? (d) Gibt es ein rechtsstaatliches, faires Verfahren, das von den Parteien nicht unfair beeinflusst werden kann? (e) Wie lange ist die zu erwartende Verfahrensdauer bis zur abschließenden Entscheidung? (f) Wie hoch sind die Kosten einer Rechtsverfolgung und wer muss diese tragen?

Wie gezeigt gibt es also ein ganzes Bündel an entscheidungserheblichen Kriterien, die bei der Rechtswahl berücksichtigt werden sollten.

Dr. Markus Ackermann

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