VERSTEHENBERATENBEGLEITEN

 
Haftung des Händlers für Angaben des Herstellers („Dieselfälle“)?

Das Menschenbild unserer Rechtsordnung ist geprägt von der Vorstellung des Menschen als ein freies und selbstbestimmtes Wesen. Folgerichtig genießen die Menschen allgemeine Handlungsfreiheit, um sich selbst zu entfalten. Diese Freiheit ist indes nicht grenzenlos sondern findet ihre Grenze unter anderem dort, wo ihre Ausübung die Rechte anderer verletzt. Einen wesentlichen Baustein für einen ausgleichenden Kompromiss zwischen Rechtsgüterschutz und Handlungsfreiheit stellt im Zivilrecht das sogenannte „Verschuldensprinzip“ dar. Eine Haftung für die Verletzung von vertraglichen Pflichten ist grundsätzlich nur dann begründet, wenn die Verletzung schuldhaft verursacht wurde, d. h. eine fahrlässige oder vorsätzliche Verletzung von Pflichten vorliegt. Eine Haftung unabhängig von Verschulden oder gar für Zufall ist nur in besonderen Fällen vom Gesetzgeber angeordnet oder dann gegeben, wenn eine entsprechende Zusage gemacht wurde.

Im modernen Wirtschaftsverkehr, wo sich ein Vertragspartner typischerweise zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten eines Dritten –zum Beispiel eines Mitarbeiters oder Unterbeauftragten - bedient, wäre es nicht sachgerecht, wenn er bei strenger Anwendung des Verschuldensprinzips für dessen Verschulden nicht haftbar wäre. Der Gesetzgeber hat deshalb festgelegt, dass ein Schuldner für schuldhaftes Handeln Dritter einzustehen hat, wenn er sich zur Erfüllung einer vertraglichen Pflicht dieses Dritten bedient.

Im Handel stellt sich die Frage, inwieweit ein Verkäufer für falsche Produktbeschreibungen eines Herstellers einzustehen hat.

Aus rechtlicher Sicht berührt diese Frage mehrere Bereiche: zunächst kann eine Mängelhaftung gegeben sein. Nach § 434 BGB gehören zur Beschaffenheit einer verkauften Sache auch die Eigenschaften, die der Hersteller eines Produktes in öffentlichen Äußerungen, insbesondere in der Werbung, genannt hat und deren Vorliegen ein Käufer somit berechtigterweise erwarten darf. Fehlt eine solche Eigenschaft, ist die verkaufte Sache mangelhaft und der Händler hat diesen Mangel durch Nachbesserung oder Nachlieferung zu beseitigen.

 

Entsteht durch eine schuldhaft falsche, produktbezogene Aussage eines Herstellers ein Schaden, taucht zudem die Frage auf, ob der Händler diesen Schaden kompensieren muss. Wird dem Händler das Verhalten des Herstellers etwa zugerechnet? Die Rechtsprechung hat kürzlich erneut klargestellt, dass ein Hersteller nicht als Gehilfe eines Händlers bei der Erfüllung kaufrechtlicher Pflichten angesehen werden kann. Insbesondere Klagen gegen Autohändler gaben den deutschen Gerichten zahlreiche Gelegenheiten, diesen Grundsatz erneut zu bestätigen. Nach den Urteilen haftet ein Autohändler nicht auf Schadenersatz für falsche Angaben wie sie etwa in Verkaufsunterlagen und -prospekten des Herstellers für Kraftfahrzeuge enthalten sind. Zu beachten ist allerdings, dass der Händler selbst keine Kenntnis davon haben darf, dass die Informationen falsch sind. Sonst kann er aufgrund einer eigenständigen Verletzung einer Aufklärungspflicht haften.

Nur wenn Hersteller und Händler in einem besonderen Näheverhältnis stehen und ein Hersteller beispielsweise Einfluss auf die Gestaltung des Vertrages mit dem Kunden des Händlers hat, kann ausnahmsweise eine Zurechnung des Verhaltens eines Herstellers an den Händler erfolgen.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass ein Händler in der Regel nicht für die Schäden haftet, die ein Hersteller mit schuldhaft falschen Produktinformationen verursacht, wenn der Händler von der Unrichtigkeit der Informationen keine Kenntnis hat. Er bleibt allerdings im Rahmen der kaufrechtlichen Gewährleistung seinen Kunden zur Mangelbeseitigung verpflichtet und muss sich ggf. selbst beim Hersteller als seinem Verkäufer im Regressweg schadlos halten. Wichtig ist deshalb, dass der Vertrag zwischen Hersteller und Händler die Interessen der Vertragsparteien richtig erfasst. Darauf ist bei der Vertragsgestaltung besonderes Augenmerk zu legen.

Dr. Markus Ackermann

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