Haftung für die Fehler
der Vorgänger?
Produkthaftung ist der Oberbegriff für die Haftung natürlicher und juristischer Personen für Schäden, die durch fehlerhafte Produkte verursacht werden. Bei Unternehmensübertragungen wird ihr jedoch oft nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Daraus können insbesondere für den Übernehmenden große Risiken erwachsen. Eine interessengerechte Risikoverteilung zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber kann durch die Gestaltung der Transaktion erreicht werden. Von erbrechtlichen Aspekten absehend stellen Dr. Tilo Jung und Dr. Michael Keilpflug von der adjuga Rechtsanwaltsgesellschaft mbH im folgenden Beitrag die rechtlichen Grundlagen des Themas dar und zeigen Lösungsansätze auf.
Rechtliche
Grundlagen der Produkthaftung
Die Produkthaftung ist rechtlich von der
vertraglichen Haftung für mangelhafte Liefergegenstände zu trennen.
Vertragliche Mangelansprüche entstehen nur im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer und nur dann, wenn eine gelieferte Ware mangelhaft ist. Ein Mangel liegt grundsätzlich vor, wenn die Beschaffenheit der gelieferten Sache von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit abweicht. Gegenstand des Anspruchs kann unter anderem Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie Ersatz von Aufwendungen sein. Die Mangelansprüche unterliegen einer kurzen gesetzlichen Verjährungsfrist von 2 Jahren, was die Haftungsrisiken zeitlich überschaubar macht.
Die deliktische Produkthaftung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) setzt kein Vertragsverhältnis voraus. Der Haftende kann daher von jeder Person in Anspruch genommen werden, die durch ein fehlerhaftes Produkt geschädigt wurde. Vereinfacht beschrieben liegt ein Fehler dann vor, wenn ein Produkt nicht die Sicherheit bietet, die von ihm berechtigterweise erwartet werden kann. Die Produkthaftung kann sich auf den Ersatz von Schäden an Sachen oder Personen und auf Schmerzensgeld richten. Die Verjährungsfrist beträgt bis zu 30 Jahre. Die daraus folgenden Risiken sind sowohl zeitlich als auch mit Blick auf den Kreis möglicher Anspruchsteller erheblich.
Deliktsrechtliche
Produktfehler werden wie folgt kategorisiert:
Konstruktionsfehler haften
allen in einer bestimmten Art konstruierten Produkten an. Haftungsgrund ist ein
schuldhafter Verstoß gegen die Pflicht, durch eine entsprechende Konstruktion
Schäden an Rechtsgütern zu vermeiden. Das Haftungspotential ist aufgrund
der Menge der betroffenen Produkte oft groß. Der Fehler haftet auch den
nach einem Unternehmensübergang hergestellten Produkten an, wenn deren Konstruktion
unverändert bleibt.
Fabrikationsfehler entstehen im Herstellungsprozess
und betreffen typischerweise nur einzelne Produkte. Der Hersteller haftet, wenn
er den Produktionsprozess schuldhaft nicht so organisiert und kontrolliert hat,
dass keine Produktfehler auftreten.
Instruktions- und Informationsfehler
bestehen, wenn von dem ansonsten fehlerfreien Produkt bei bestimmungsgemäßer
und voraussehbarer Verwendung Gefahren ausgehen, die durch angemessene Gebrauchsanleitungen
und/oder Warnhinweise vermieden werden können.
Der Produzent verletzt
seine Pflicht zur Produktüberwachung und zum Rückruf,
wenn er die Produkte nach dem Inverkehrbringen nicht angemessen beobachtet und
bei Kenntnis gefährlicher Fehler nicht gegebenenfalls zurückruft.
Die verschuldensunabhängige Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz kann Hersteller von Produkten und Grundstoffen, Zulieferer, Importeure in den Europäischen Wirtschaftsraum und gegebenenfalls Händler treffen. Diese haften auf Ersatz von Schäden an privat genutzten Sachen sowie für Personenschäden, nicht jedoch auf Schmerzensgeld, wenn der Schaden durch ein nicht hinreichend sicheres Produkt verursacht wurde. Die Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz verjähren nach 10 Jahren und können zusätzlich zu den deliktischen Ansprüchen nach dem BGB bestehen.
Verteilung
von Produkthaftungsrisiken bei der Unternehmensübertragung
Ist ein
Unternehmensträger, beispielsweise eine GmbH, potentieller Schuldner von
Produkthaftungsansprüchen, bleibt dieses Risiko auch nach einem Übergang
der Geschäftsanteile bestehen. Das erworbene Unternehmen bleibt also bei
einem sogenannten "Share Deal" mit dem Produkthaftungsrisiko
belastet. Werden jedoch nicht Geschäftsanteile, sondern Sachen und Rechte
des Unternehmens (sogenannter "Asset Deal") erworben, verbleiben
die Risiken bei dem alten Unternehmensträger.
Bereits die Wahl der Transaktionsstruktur
bietet also Möglichkeiten, die Risikoverteilung zu gestalten. Unter Produkthaftungsgesichtspunkten
wird ein Share Deal eher im Interesse des Veräußerers, ein Asset Deal
eher günstig für den Erwerber sein.
Eine weitere Möglichkeit
der Risikoallokation bietet die Ausgestaltung des Unternehmenskaufvertrages. Im
Regelfall wird der Käufer bei einem Share Deal Regelungen wünschen,
die eine Haftung des Verkäufers vorsehen. Dies können beispielsweise
Garantien für das Nichtbestehen oder das zukünftige Nichtauftreten
von Produkthaftungsansprüchen sein. Realisiert sich dieses Risiko, hat der
Käufer einen Anspruch gegen den Verkäufer auf Ersatz der durch solche
Ansprüche entstehenden Schäden. Möglich sind auch Freistellungsregelungen,
durch die der Verkäufer verpflichtet wird, sämtliche durch die Geltendmachung
von Produkthaftungsansprüchen durch Dritte entstehenden Kosten zu tragen
oder gar die Verteidigung gegen solche Ansprüche selbst zu übernehmen.
Dies kann auch für den Fall der Erhebung unberechtigter Ansprüche vereinbart
werden.
Typischerweise wird der Verkäufer allenfalls für ein Risiko haften wollen, das er selbst beherrschen konnte. Eine naheliegende relevante zeitliche Zäsur ist daher der Unternehmensübergang selbst: auf die Eigenschaften zuvor hergestellter Produkte hat bis zu diesem Zeitpunkt nur der Verkäufer, danach nur der Erwerber Einfluss.
Dieser Ansatz kann weiter nach einzelnen Haftungsursachen differenziert werden. Beispielsweise können spezielle Regelungen im Kaufvertrag vorgesehen werden, die eine Haftung des Verkäufers für Konstruktionsfehler bestimmter Produkte vorsehen, sofern diese nach dem Unternehmensübergang gemäß unveränderter Konstruktion weiter hergestellt wurden. Da der Käufer oft keine andere Möglichkeit hat, als die Produktion unmittelbar nach dem Erwerb zunächst auf der Grundlage der durch den Verkäufer geschaffenen Gegebenheiten fortzuführen, kann dies eine interessengerechte Lösung sein. Hingegen liegt für nach dem Übergang verursachte Fabrikationsfehler eine Haftungsregelung zu Lasten des Käufers nahe Für Instruktions- und Informationsfehler sowie Verletzungen der Überwachungs- und Rückrufpflicht können ebenfalls differenzierte Vertragsbestimmungen sinnvoll sein.
Zusammenfassung
Das
Produkthaftungsrisiko im Rahmen von Unternehmensübertragungen kann sowohl
für den Veräußerer als auch für den Erwerber erheblich sein.
Die Risikoverteilung wird vor allem durch die Auswahl der Transaktionsstruktur
(Share Deal oder Asset Deal) und darauf abgestimmte vertragliche Haftungsregelungen
bestimmt. Nur wenn qualifizierte rechtliche Beratung in Anspruch genommen wird,
ist eine interessengerechte Gestaltung für beide Seiten zu erreichen.
Dr.
Tilo Jung, Dr. Michael Keilpflug
adjuga Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Erschienen
in Business & Law Rhein-Neckar, 2010