Haftungsbeschränkung abhängig von der Versicherungsdeckung als Königsweg?
a. Ausgangssituation
Die gesetzlichen Bestimmungen sehen eine unbeschränkte Haftung für jeden schuldhaft verursachten Schaden vor. Im unternehmerischen Geschäftsverkehr besteht meistens Bedarf, dieses Risiko zu begrenzen. Bei fast jeder Vertragsverhandlung wird der Punkt daher heftig diskutiert. Übliche Modelle
zur Haftungsbegrenzung differenzieren nach dem Verschuldensgrad (Vorsatz – grobe Fahrlässigkeit - einfache Fahrlässigkeit) oder nach den Schadensarten (unmittelbare und mittelbare Schäden bzw. Personen-, Sach- und Vermögensschäden). Abhängig von der gewählten Unterscheidung werden dann Haftungsausschlüsse oder Begrenzungen der Haftungshöhe vereinbart. Nicht selten wird im Rahmen der Verhandlungen von einer Seite eine vermeintlich einfache Lösung vorgeschlagen, wonach ein möglicher Schaden ja „versichert sei“ und die Haftung des zum Ersatz verpflichteten Vertragsteils „darauf“ begrenzt werden könne.
b. Probleme beim Verweis auf die „Versicherungslösung“
Wie die vorgestellte umgangssprachliche Formulierung vermuten lässt, bleibt häufig unklar, wie die Haftungsprivilegierung im Einzelfall ausgelegt werden soll:
- Sollen nur Leistungen aus Haftpflichtversicherungen (Betriebs-, Produkthaftpflicht ggf. einschließlich Rückrufkostenversicherung) oder aus jeglichen Versicherungen (einschließlich Sachversicherungen) berücksichtigt werden?
- Soll nur der konkret „versicherte Fall“ nach den Versicherungsbedingungen oder das gesamte Risiko, zu dessen finanzieller Abmilderung die Versicherung abgeschlossen wurde, erfasst werden?
- Soll die Haftung auf den abstrakten Betrag der Deckungshöhe (pro Einzelfall? pro Kalenderjahr? insgesamt?) begrenzt oder nur auf die tatsächlich vom Versicherer erhaltenen Ersatzleistungen beschränkt werden?
Wie soll damit umgegangen werden, dass den Versicherungsnehmer bestimmte Pflichten und Obliegenheiten treffen (z. B. rechtzeitige Prämienzahlung, Schadensanzeige, Mitteilungen zu Risikoveränderungen), deren Verletzung eine Ersatzleistung im Einzelfall oder sogar der Versicherungsschutz insgesamt gefährden kann?
Möglicherweise droht durch einen unbedacht formulierten Verweis sogar ein Zirkelschluss: die Einstandspflicht einer Haftpflichtversicherung setzt nämlich zunächst die Haftung des Versicherten voraus; wenn aber die vollständige Haftung des Schädigers unter die Bedingung „soweit von der
Versicherung gedeckt“ gestellt wird, könnte der Versicherungsleistung die notwendige Grundlage entzogen werden.
Eine „Versicherungslösung“ vermischt zudem die Risikosphären: Der Versicherungsnehmer schließt die Versicherung nach seiner eigenen Risikobewertung und zu Konditionen ab, die für ihn wirtschaftlich vernünftig erscheinen. Er wird nie eine vollständige Abdeckung aller denkbaren Schäden vereinbaren.
Rechtlich ist die Frage der Einstandspflicht für verursachte Schäden jedoch von der individuell gewählten Versicherungslösung unabhängig. Ob sich ein versichertes oder ein anderes Risiko realisiert und in einen Schadensfall mündet oder ob die Versicherungsdeckung im konkreten Schadensfall der Höhe nach ausreicht, hängt nicht vom Verhalten des Geschädigten ab und kann von Zufällen beeinflusst werden. Die Angemessenheit einer Haftungsbegrenzung in Abhängigkeit von einer abgeschlossenen Versicherung muss in solchen Fällen in Frage gestellt werden.
c. Empfehlung
Die auf den ersten Blick vermeintlich einfache Lösung, zur Haftungsbegrenzung auf die Versicherungsdeckung zu verweisen, kann sich bei näherer Betrachtung als Risiko herausstellen. Dabei ist nicht einmal vorhersehbar, welche Vertragspartei einen Nachteil durch einen solchen auslegungsbedürftigen Verweis erleidet. Eine Haftungsregelung, die die Interessen beider Parteien
berücksichtigt, bedarf der sorgfältigen Formulierung. Auch wenn deren Verhandlung mühsam und zeitaufwändig sein kann, muss vor einer Abkürzung, die versicherungsrechtliche Folgefragen aufwirft, gewarnt werden.
Dr. Tilo Jung
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