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Hergestellt in Polen und dennoch "Made in Germany"?

Die Geschichte ist bekannt: Die Bezeichnung "Made in Germany" wurde - im Jahr 1887 eigentlich als Stigma für billige Ramschware aus Deutschland geplant - zu einem Qualitätszeichen, das heutzutage weltweit geschätzt wird. Schon 1896 hielt der Engländer Ernest Edwin Williams sein Erstaunen über die schnelle Entwicklung der deutschen Waren in punkto Qualität und die Omnipräsenz deutscher Produkte im englischen Haushalt (mit einer gewissen Besorgnis) wie folgt fest: "Roam the house over, and the fateful mark will greet you at every turn, from the piano in your drawing-room to the mug on your kitchen dresser, blazoned though it be with the legend, A Present from Margate". Sogar der heilige Petrus, so die augenzwinkernde Sorge des englischen Wirtschaftsjournalisten, habe einen Schlüsselbund aus dem deutschen Rheinland, der Zugang zum Paradies sei nur aufgrund deutscher Wertarbeit möglich.

Die Bedeutung der "Made in […]"-Länderkennzeichnungen liegt im Bereich des Wettbewerbsrechts. Deren Verwendung ist in der Regel nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, eine Ausnahme bildet insoweit das seit 1971 normierte "Swiss Made", das nur für Uhren aus der Eidgenossenschaft verwendet werden darf. Aus den Grundregeln des lauteren Wettbewerbs ergibt sich, dass solche Bezeichnungen grundsätzlich nur so verwendet werden dürfen, dass keine Irreführung des Marktes erfolgen kann. "Made in Germany" darf damit nur verwendet werden, wenn die Waren maßgeblich in Deutschland hergestellt oder veredelt wurden oder bei welchen ein wesentlicher Wertschöpfungsanteil durch Zusammenfügen in Deutschland erfolgte.

Die Herkunft einer Ware ist zudem im internationalen Handel aus zollrechtlichen und außenwirtschaftlichen Gründen von Wichtigkeit. Wenn der Handel mit Waren aus einem Land wegen eines Embargos verboten ist, muss es Kriterien geben, um die Herkunft von Waren zu bestimmen. Desgleichen ist bei der Erhebung von Einfuhrzöllen die Kenntnis des Ursprungs von Waren notwendig.

Nach dem europäischen "Zollkodex" gelten beispielsweise als Ursprungswaren eines Landes die "Waren, die vollständig in diesem Land gewonnen oder hergestellt worden sind". Wurde eine Ware in zwei oder mehreren Ländern hergestellt oder bearbeitet, ist Ursprungsland der Ware das Land, "in dem die Ware der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- und Verarbeitung unterzogen worden ist, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen worden ist und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt."

 

So luzide diese Kriterien erscheinen, so schwierig ist ihre Handhabung je und je in der Praxis einer globalisierten Welt. Denn tatsächlich bestehen insoweit Einschätzungsspielräume, die im internationalen Handel geschickt genutzt werden. Werden Waren in China und in Taiwan hergestellt und bearbeitet und bestehen beispielsweise Antidumping-Zölle für Importe aus China, kann es für einen Hersteller günstig sein, wenn seine Ware "Made in Taiwan" ist. Entsprechend wird er seine Arbeitsabläufe und Produktionsketten auslegen.

Dies führt dazu, dass Waren nicht immer ausschließlich dort herkommen, wo sie bei oberflächlicher Betrachtung einer Herkunftsangabe herzukommen scheinen. Das liegt zum Teil an gesetzlichen Definitionen, die Begriffe vielfach anders verwenden, als im alltäglichen Sprachgebrauch üblich. So dürfen beispielsweise auch in Baden hergestellte Spätzle als Schwäbische Spätzle verkauft werden. Und für pflanzliche Erzeugnisse gibt es eine weitere zollrechtliche Besonderheit. Denn der Ursprung pflanzlicher Erzeugnisse ist stets dort, wo sie geerntet werden. Hersteller nutzen dies bei den "mobilen Kulturen", zu welchen unter anderem Schnittlauch und Pilze gehören. Diese werden nicht selten außerhalb von Deutschland gezüchtet und aufgezogen. Um berechtigterweise die Bezeichnung "Ursprung: Deutschland" führen zu dürfen, werden diese nach der Aufzucht allein für die Ernte über die Grenze nach Deutschland verbracht. So können in Polen gewachsene Pilze und in Holland gezüchteter Schnittlauch mit der Bezeichnung "Ursprung: Deutschland" verkauft werden.

Mit fortschreitender Globalisierung sind wir zunehmend von Waren umgeben, zu deren Herstellung in vielen Ländern der Welt Beiträge geleistet wurden. Mit "Designed by Apple in California. Assembled in China" legt der Telefonhersteller sogar offen, in welchen Ländern wesentliche Entwicklungs- und Herstellungsarbeiten geleistet wurden. Die Europäische Kommission versucht seit etwa einem Jahrzehnt, das neugeschaffene "Made in the EU" zu etablieren. Welche Bezeichnungen sich schlussendlich durchsetzen werden, wird die Zukunft zeigen. Wichtig ist, dass mit den Bezeichnungen der Markt nicht getäuscht wird, um Haftungsrisiken und Strafen zu vermeiden.

Dr. Markus Ackermann

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