Hinweispflichten bei Verfall von Urlaubsansprüchen
a. Gesetzliche Regelungen zum Urlaubsverfall
Der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Gewährung von Erholungsurlaub besteht
nach § 7 Abs. 3 S. 1 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) grundsätzlich nur während des jeweiligen Urlaubsjahres. Der Urlaubsanspruch ist somit grundsätzlich auf ein Kalenderjahr befristet. Der am Jahresende offene Resturlaub kann ausnahmsweise bis zum Ende des gesetzlichen Übertragungszeitraums, d. h. bis zum 31. März des Folgejahres, befristet übertragen werden, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG erfüllt sind. Das ist der Fall, wenn a) dringende betriebliche oder b) in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe vorliegen, die eine Übertragung rechtfertigen. Spätestens mit Ablauf des Übertragungszeitraums verfällt nicht genommener Urlaub grundsätzlich ersatzlos.
b. Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte bereits in 2018 entschieden, dass der Arbeitgeber den
Arbeitnehmer durch Information in die Lage versetzen muss, den Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Das
Bundesarbeitsgericht (BAG) hat diese Rechtsprechung aufgegriffen: Der Arbeitgeber muss den
Arbeitnehmer gegebenenfalls sogar förmlich auffordern, seinen Jahresurlaub zu nehmen. Er hat ihn
auch klar und rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines „zulässigen" Übertragungszeitraums verfallen wird, falls er nicht vorher genommen werden sollte. Die Nichterfüllung dieser Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers führt dazu, dass die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG nicht zu laufen beginnt und der Urlaubsanspruch nicht verfallen kann. Der nicht verfallene Urlaub tritt, auch wenn kein Übertragungsgrund nach § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG vorliegt, am 1. Januar zum Urlaub des neuen Kalenderjahres hinzu.
Der Arbeitgeber hat seine Mitarbeiter nicht nur auf den Urlaub aus dem aktuellen Jahr, sondern auch auf noch bestehenden Urlaub aus den vergangenen Jahren hinzuweisen. Solange der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt hat, kann der Urlaubsanspruch weder verfallen noch verjähren. Auch für den Zusatzurlaub schwerbehinderter Mitarbeiter muss der Arbeitgeber diese Obliegenheit durch Hinweis erfüllen, sofern ihm die Schwerbehinderung bekannt oder diese offensichtlich ist. Das gleiche gilt für eine Langzeiterkrankung, wenn der Arbeitnehmer bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit den Urlaub zumindest noch teilweise hätte nehmen können.
c. Zeitpunkt des Hinweises
Der Arbeitgeber kann nach Ansicht des BAG seine Mitwirkungsobliegenheiten regelmäßig zu Beginn des Kalenderjahres erfüllen. Um die Nachdrücklichkeit und Ernsthaftigkeit zu betonen, kann es sinnvoll sein, die Unterrichtung zu Beginn des 3. Quartals im laufenden Kalenderjahr zu wiederholen.
Wird Urlaub aus dem Vorjahr ins neue Kalenderjahr übertragen, muss für den Arbeitnehmer die
Unterscheidung zwischen dem übertragenen Urlaub und dem Urlaubsanspruch des neuen Kalenderjahres klar erkennbar sein. Dies dient der Transparenz und zwar sowohl im Hinblick auf die Befristung als auch auf die Höhe des Urlaubsanspruchs. Eine ständige Aktualisierung der Mitteilung ist
nicht erforderlich, insbesondere auch dann nicht, wenn es zu einer Reduzierung der Urlaubstage durch Inanspruchnahme kommt. Eine aktualisierte Information wird allerdings dann erforderlich, wenn sich als Folge einer Veränderung der Arbeitszeit und der Arbeitstage der Umfang des Urlaubsanspruchs ändert.
d. Fazit und Empfehlung
Die Umsetzung der europäischen Rechtsprechung verdeutlicht einmal mehr die Bindung des Urlaubs an
das Kalenderjahr. Daher sollte die Hinweispflicht ernst genommen werden, da sie insbesondere auch
geeignet ist das in der Regel ungewollte „Ansammeln" von Urlaubstagen zu begrenzen. Abstrakte Angaben zu den Verfallregelungen, z.B. im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung, sind nicht ausreichend. Vielmehr muss ein individueller Hinweis erfolgen. Dieser kann beispielsweise in eine Lohnabrechnung aufgenommen werden. Der Hinweis muss dann jedoch deutlich hervorgehoben sein. Wichtig für den Arbeitgeber ist, dass er nachweisen kann, dass der Hinweis dem Arbeitnehmer
zugegangen ist.
Steffen Zimmermann
»
zur Übersicht