VERSTEHENBERATENBEGLEITEN

 
Kein Geheimnis mehr: Seit April 2019 gibt es das Geschäftsgeheimnisgesetz

Samuel Stöltzel ist wohl einer der bekanntesten Verräter der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Im 18. Jahrhundert offenbarte er gegen viel Bestechungsgeld und weitere Zuwendungen dem Wiener du Paquier das Geschäftsgeheimnis der Porzellanherstellung, obwohl der sächsische Kurfürst mit drakonischen Maßnahmen jeglichen Geheimnisverrat zu verhindern suchte. Ein Ergebnis des Verrates war die Gründung der Porzellanmanufaktur in Wien und der Verlust des Porzellanmonopols der Meißner Manufaktur. Der daraufhin entstehende Wettbewerb förderte technischen und gestalterischen Fortschritt und ließ die Preise so sehr verfallen, dass sich heutzutage nicht nur die Oberschicht am „weißen Gold“ erfreuen kann. Der wirtschaftliche Schaden des Verrates für die Meißner Manufaktur war enorm.

Was sich im 18. Jahrhundert ereignete, kann auch heute noch passieren. Heute spricht man von der Wissensgesellschaft, weil Wissen eine Ressource von größter Bedeutung geworden ist. Unternehmen können sich im Wettbewerb durch ihr Wissen und Know-how differenzieren und Wettbewerbsvorteile erlangen. Entsprechend wichtig ist es für die Marktteilnehmer, ihr Wissen geheim zu halten und vor Einsichtnahme Dritter zu schützen.

Seit April 2019 gibt es ein Gesetz, das in Umsetzung einer europäischen Richtlinie auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen abzielt. Definiert als Geheimnis wird dabei jegliche Information, welche alle vier folgenden Kriterien erfüllt: Sie ist (1) weder allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich, (2) von wirtschaftlichem Wert, (3) Gegenstand von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen und (4) es besteht ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung.

Mit Inkrafttreten des Gesetzes wurden neue Handlungsverbote normiert, die insbesondere den unbefugten Zugang, die unbefugte Aneignung oder das unbefugte Kopieren von Dokumenten zum Erlangen eines Geschäftsgeheimnisses verbieten. Ausdrücklich erlaubt ist grundsätzlich der Rückbau von Gegenständen, um sie zu untersuchen oder zu testen.

 

Wird gegen Handlungsverbote verstoßen, gibt es nach dem neuen Gesetz Beseitigungs-, Unterlassungs-, Schadenersatz- und sonstige Ansprüche, die neben vertraglich vereinbarte Ansprüche treten können.

Aber wann sind Maßnahmen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen als angemessen anzusehen? Angelehnt an etablierte Standards der Informationssicherheit wird mittlerweile häufig folgendes 7-Stufen-Modell herangezogen:

  1. Identifikation der zu schützenden Information und ggf. Einstufung nach Bedeutung
  2. Anforderungsanalyse und Ermittlung der Geheimhaltungsmethoden
  3. Feststellung des Schutzbedarfs
  4. Gefährdungsanalyse anhand konkreter Risiken
  5. Risikosteuerung und Maßnahmenauswahl (organisatorisch, rechtlich, personell, technisch und kommunikativ)
  6. Umsetzung der Maßnahmen
  7. Fortlaufende Kontrolle, Bewertung, Dokumentation und Anpassung der Maßnahmen

Die sieben Stufen bieten eine erste Orientierung bei der Erstellung eines Schutzkonzeptes für Geschäftsgeheimnisse. Abhängig von den individuellen Bedürfnissen eines Unternehmens sollte jedoch ein maßgeschneidertes Konzept erstellt werden, um den bestmöglichen Schutz zu erreichen.

Kommt es zum Geheimnisbruch, gibt es verschiedene Möglichkeiten der Reaktion. Zum einen kann mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung versucht werden, weiteren Verrat einzudämmen. Darüber hinaus kann gerichtlich Unterlassung und Kompensation verlangt werden. Um die Unwägbarkeiten eines gerichtlichen Prozesses zu vermeiden, empfiehlt es sich, vorab ein effizientes und wirksames System der Geheimhaltung aufzubauen.

Dr. Markus Ackermann

» zur Übersicht