Gegenstand von Verträgen im unternehmerischen Verkehr sind nicht selten fortdauernde oder wiederkehrende Pflichten, z. B. in Dienst- oder Mietverträgen oder in Rahmenverträgen über die regelmäßige Lieferung von Produktionsmitteln („Dauerschuldverhältnisse“).
Auch wenn solche Verträge auf Dauer angelegt sind, besteht in der Regel ein Bedürfnis, sich in
bestimmten Situationen einseitig vom Vertrag zu lösen, z. B. wenn der vereinbarte Leistungsaustausch
nicht mehr wirtschaftlich oder strategisch sinnvoll oder gar das Vertrauensverhältnis der
Vertragsparteien erschüttert ist. Soweit eine einvernehmliche Vertragsbeendigung nicht gelingt, kommt
eine Beendigung durch eine einseitige Willenserklärung in Betracht („Kündigung“).
Voraussetzung einer wirksamen Kündigung ist das Vorliegen eines Kündigungsrechts und einer
Kündigungserklärung.
Aus der Erklärung muss deutlich werden, dass der Kündigende nicht mehr an die vertraglich vereinbarte, gegenseitige Pflichtenlage gebunden sein möchte. Der Begriff „Kündigung“ muss nicht wörtlich enthalten sein. Der Zugang der Kündigungserklärung beim Kündigungsgegner ändert unmittelbar die Rechtslage („Gestaltungsrecht“) - das bestehende Rechtsverhältnis und die resultierende gegenseitige Pflichtenlage enden für die Zukunft.
Kündigungsrechte können sich aus dem Gesetz oder aus vertraglicher Vereinbarung ergeben. Das Gesetz unterscheidet zwischen der ordentlichen Kündigung und der Kündigung aus wichtigem Grund.
Eine ordentliche Kündigung ist eine Kündigung, die das Vertragsverhältnis unter Beachtung einer gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist mit deren Ablauf beendet. Sie bedarf keines besonderen Grundes.
Daneben sieht das Gesetz - neben Sonderregelungen für bestimmte Vertragstypen - bei Dauerschuldverhältnissen ein Kündigungsrecht „aus wichtigem Grund“ vor (§ 314 BGB). Ein solcher liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung grundsätzlich erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Die Kündigung aus wichtigem Grund beendet das Vertragsverhältnis regelmäßig mit sofortiger Wirkung.
Das Gesetz unterscheidet zudem zwischen zeitlich befristeten und auf unbestimmte Zeit geschlossenen Dauerschuldverhältnissen. Während in beiden Fällen die Möglichkeit einer Kündigung aus wichtigem Grund besteht, sieht das Gesetz die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung nur für unbefristete Dauerschuldverhältnisse vor. Bei befristeten Dauerschuldverhältnissen ist eine ordentliche Kündigung nur dann möglich, wenn dies ausdrücklich im Vertrag vereinbart wird.
Bei der vertraglichen Gestaltung eines Dauerschuldverhältnisses sollte immer auf eine sachgerechte Regelung der Beendigung geachtet werden. In der Praxis wird nicht selten verkannt, dass die www.adjuga.com mai 2019 adjuga Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Seite 2 von 2 Kündigungsregelung strategische Bedeutung haben kann: Ein Unternehmen, das speziell für seine eigenen Produkte angepasste Komponenten unter einem Rahmenvertrag einkauft, sollte darauf achten, dass sich der Lieferant vom Vertrag und von seiner Lieferverpflichtung nur mit solcher Frist lösen kann, innerhalb derer es eine alternative Bezugsquelle aufbauen kann.
Demgegenüber liegt es im Interesse eines Lieferanten, der eine Lieferverpflichtung für individualisierte
Komponenten übernimmt, sich bei einer Verschlechterung der kommerziellen Rahmenbedingungen
(z. B. Erhöhung seiner Produktions-/Einkaufskosten, geringeres Abnahmevolumen des Kunden) mit
nicht zu langer Frist vom Vertrag lösen zu können.
Bereits beim Eingehen der Vertragsbeziehung sollten daher mögliche Szenarien, die eine Lösung vom
Vertrag erfordern könnten, vorgedacht und mit dem Vertragspartner hierfür geeignete Regelungen
getroffen werden. Gegebenenfalls können auch nachvertragliche Abwicklungsregelungen, z. B. zur
Abwicklung bereits angefangener Geschäfte, Zuweisung/Vergütung von Lagerbeständen, ‚last buy’ oder
zu nachvertraglichen Lieferverpflichtungen für Ersatzteile oder Service-/Supportleistungen erforderlich
sein.
Andreas Dömkes