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Logistikverträge - Nutzen und Bedeutung

Das in den vergangenen Jahren weltweit stark gestiegene Handelsvolumen sorgte auch für ein Wachstum in der Logistikbranche. Es wird erwartet, dass sich diese Entwicklung noch fortsetzen wird. Treffend hat das Institut für Weltwirtschaft daher seinen jüngsten Kommentar zur aktuellen Situation mit Logistikkonjunktur im Aufwind überschrieben.

Aufgrund neuer Verhaltensweisen im Konsum, gestiegenen Anforderungen der Kunden, Internationalisierung von Logistik-Dienstleistungen und wachsender Kabotage sieht sich die Branche neuen Anforderungen ausgesetzt. Erbringen heute die Unternehmen noch etwa die Hälfte der Logistikleistungen selbst, geht der Trend dahin, logistische Leistungen verstärkt an Dienstleister auszulagern. Diese entwickeln dabei Spezialisierungen und weiten ihr Portfolio aus: So bieten sie neben dem reinen Transport vermehrt Umschlag und Lagerleistungen bis hin zu Kommissionierungsleistungen an. Dabei wird eingelagerte Ware für die Produktion der Kunden kommissioniert und für die Produktion vorbereitet. Durch das Management aller Glieder der Logistikkette entwickeln sich viele Spediteure vom reinen Transportdienstleister zum leistungsstarken Partner und umfassenden Dienstleister der gewerblichen Auftraggeber.

Deutschland ist der wichtigste Logistikmarkt Europas und die Logistikbranche hat gesamtwirtschaftlich erhebliche Bedeutung. Gleichzeitig ist die Erbringung der Leistungen in dieser Branche ausgesprochen haftungsträchtig, weshalb eine rechtssichere und branchenspezifische Vertragsgestaltung von eminent wichtiger Bedeutung ist.

Der Nutzen rechtssicherer Verträge in diesem Bereich wird zunehmend erkannt. Es wäre eine Fehlvorstellung zu meinen, dass das zersplitterte, in verschiedenen Gesetzen und internationalen Abkommen geregelte Recht in allen Fällen Regelungen zur Verfügung stellte, welche den Interessen der Parteien am besten entsprächen. Vieles, was gesetzlich vorgegeben und in internationalen Abkommen vereinbart wurde, kann von den Parteien abweichend individuell geregelt und besser an ihre konkrete Interessenlage angepasst werden.

Jeder vereinbarte Leistungsaustausch zwischen einem Logistikunternehmen und einem Auftraggeber beruht auf einem Vertrag. Dies ist auch dann der Fall, wenn keine Dokumentation über die Absprachen erstellt wurde. Zur Erlangung von Rechtssicherheit und zur Erleichterung des Beweises, was vereinbart wurde, empfiehlt es sich jedoch, Logistikverträge grundsätzlich schriftlich zu dokumentieren. Dabei können Verträge auf ein einzelnes Geschäft bezogen sein oder als Rahmenvertrag die Grundlage für eine Vielzahl von Einzelverträgen bilden. Letzteres ist immer dann sinnvoll, wenn eine längerdauernde Geschäftsbeziehung mit gleichartigen Leistungen besteht. Zur Beschleunigung der Geschäftsvorfälle und zur Vermeidung operativer Zwänge kann dann eine aufwändige Verhandlung von vollständigen Einzelverträgen entfallen. Ein Rahmenvertrag kann auch dann nützlich sein, wenn wegen der geringen wirtschaftlichen Bedeutung eines isoliert betrachteten Einzelvertrages die Durchführung einer vollständigen Individualverhandlung aller regelungsbedürftigen Punkte ökonomisch nicht sinnvoll ist.

 

Häufig kommt es vor, dass Logistikdienstleister schon vor der eigentlichen Verhandlung des Vertrages den Abschluss von Absichtserklärungen, z.B. eines Letter of Intent, wünschen. Das geschieht in der Regel dann, wenn der Dienstleister vor dem eigentlichen Leistungsaustausch Investitionen tätigen oder die Allokation von Ressourcen in die Wege leiten muss. Es ist insoweit verständlich, dass er schon frühzeitig eine Vereinbarung mit dem potentiellen Auftraggeber wünscht. Obwohl Absichtserklärungen in der Regel nur Absichten zum Ausdruck bringen, können diese durchaus Grundlage für einen Haftungsanspruch sein, wenn es nicht zum späteren Vertragsschluss kommt. Denkbar sind hier Konstellationen, bei denen der Logistikdienstleister im Vertrauen auf einen in Aussicht gestellten Vertragsabschluss bereits Vorbereitungshandlungen durchgeführt oder Investitionen getätigt hat. Sollte ein Auftraggeber gewillt sein, solche vorvertraglichen Erklärungen abzugeben, ist daher sorgfältig darauf zu achten, welchen Inhalt diese haben und inwieweit diese Haftungsgrundlage sein können und sollen.

Im Vertrag selbst oder bei komplexen Leistungsbündeln in einem dem Vertrag beigefügten Lasten- oder Pflichtenheft sollten die Leistungen des Logistikunternehmers aus rechtlicher Sicht sehr genau beschrieben werden. Dies ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wird in der Praxis aber häufig nicht einwandfrei umgesetzt. Ebenso selbstverständlich ist es, dass die Vergütung und deren etwaige Anpassung klar geregelt werden sollten und den kaufmännischen Vorstellungen der Parteien entsprechen müssen. Besonderes Augenmerk verdienen wegen der hohen Schadensgeneigtheit von Logistikleistungen (Beschädigung, Abhandenkommen, Fristüberschreitungen) je und je auch die Haftungsregelungen. Die gesetzlichen Bestimmungen dazu sind ausgesprochen komplex, auf die unterschiedlichsten Rechtsgrundlagen verteilt und in vielen Bereichen nicht im Interesse des Auftraggebers ausgestaltet. So gibt es neben vielen weiteren haftungsbeschränkenden Regelungen beispielsweise für die Haftung bei Transporten in den §§ 429 f. HGB eine Beschränkung der Haftung auf den Wert des transportierten Gutes sowie der Schadensfeststellungskosten, zudem gibt es nach § 431 HGB einen gewichtsbezogenen Schadenshöchstbetrag. Es liegt auf der Hand, dass diese Regelungen häufig nicht die Interessen des Auftraggebers angemessen berücksichtigen. Insoweit ist es nützlich, wenn die Partner maßgeschneiderte Lösungen einschließlich eines einheitlichen Haftungsregimes für ihre Geschäftsbeziehung verhandeln und sorgfältig dokumentieren.

Rechtliche Risiken entstehen für die Parteien nämlich nicht dadurch, dass sie ihre Beziehung in Verträgen genau regeln, sondern eher dadurch, dass solche Regelungen unterbleiben.

Dr. Markus Ackermann
adjuga Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Erschienen in Zukunftsmotor Metropolregion Rhein-Neckar 2/2015

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