Untersuchungen von Arbeitsunfällen in deutschen Betrieben kommen zu dem Ergebnis, dass immer häufiger Alkohol oder andere berauschende Mittel ursächlich für den Unfall waren. Neben diesen Unfällen ist zu erkennen, dass auch vermehrt Schlechtleistungen eintreten, die im Zusammenhang mit berauschenden Mitteln stehen. Es besteht daher auf der Arbeitgeberseite Handlungsbedarf, diese Tendenz präventiv anzugehen; dabei ist zu beachten, welche Handhabe der Arbeitgeber hat, bereits eingetretene Fälle zu sanktionieren und mit diesen umzugehen.
Grundsätzlich besteht in deutschen Betrieben kein generelles gesetzliches Alkoholverbot (Ausnahmen z.B. spezielle Unfallverhütungsvorschriften). Der Grundsatz lautet: entscheidend ist die Fähigkeit, die Arbeit verrichten zu können, ohne andere oder sich selbst zu gefährden (§ 15 Abs. 2 und 3 Unfallverhütungsvorschrift BGV A 1). Es sollte deshalb in einem Betrieb durch eine Betriebs-vereinbarung der Umgang mit Alkohol, Drogen und Medikamenten explizit spezifisch angepasst geregelt werden. Ebenso wie eine einschränkende Handhabung kann im Rahmen einer solchen Vereinbarung auch ein absolutes Alkoholverbot bestimmt werden. Oberstes Ziel einer solchen Vereinbarung ist Klarheit über den Umgang mit Alkohol, Medikamenten und Drogen für alle Beteiligten zu erhalten.
Bei Eintritt eines Unfalls unter Einfluss von "Rauschmitteln" stellt sich immer die Frage nach der Haftung. Es kann zum Beispiel ein Regress der Berufsgenossenschaft drohen und die Verletzung der Aufsichtspflicht durch Vorgesetzte ist zu prüfen. Die Verantwortung des Arbeitnehmers kann zu einer Abmahnung und auch (fristlosen) Kündigung führen; es drohen somit neben der zivilrechtlichen Schadensersatzhaftung arbeitsrechtliche Sanktionen.
Probleme ergeben sich, wenn bei Mitarbeitern erkennbare Anzeichen auftreten, dass ein sicheres und schadloses Arbeiten nicht mehr gewährleistet ist. Solche Anzeichen können sich z.B. als "ungewöhnliche Fehlhandlungen" darstellen; auch die bekannten Auffälligkeiten wie "Fahne", Lallen und Torkeln sind denkbar. Es muss für solche Fälle eine Regelung getroffen werden, die einerseits die Persönlichkeitsrechte wahrt, aber andererseits auch den hierdurch entstehenden besonderen Gefahren für die Sicherheit im Betrieb Rechnung trägt. Bei solchen extremen Anzeichen sollte die betreffende Person unter Zeugen (idealerweise unter Hinzuziehung eines Betriebsratsmitgliedes) zur Rede gestellt werden und eine entsprechende Dokumentation vorgenommen werden.
Im Rahmen einer Betriebsvereinbarung können auch bei Verdachtsmomenten Testverfahren verpflichtend angeordnet werden. Dies bietet zum einen eine Entlastungsmöglichkeit auf Seiten der Mitarbeiter, wenn der Verdacht nicht anders ausgeräumt werden kann; zum anderen dient es auch dem Arbeitgeber um eine zügige Klärung unter betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben zu erlangen. Aus Arbeitgebersicht ist hier neben der Sicherheit am Arbeitsplatz zu beachten, dass aufgrund der Fürsorgepflicht auch für einen sicheren Heimweg Sorge getragen werden muss. Auch dies kann für die Einführung einer Betriebsvereinbarung sprechen. Die Zulässigkeit allgemeiner, anlassunabhängiger Alkoholtests oder Drogenscreenings, die die Belegschaft quasi unter Generalverdacht stellen, ist arbeitsrechtlich umstritten. Bei der Formulierung der Betriebsvereinbarung ist dieser Aspekt daher zu berücksichtigen.
Ein Missbrauch von Suchtmitteln bei der Arbeit kann zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen: diese sind zum Beispiel Nichtzahlung des Lohnes für die Zeit einer etwaigen Entfernung vom Arbeitsplatz, Abmahnungen und bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen eine Kündigung. Kann der Mitarbeiter allerdings sein Verhalten aufgrund einer Suchterkrankung nicht mehr steuern, greifen diese Maßnahmen zu kurz. Seitens des Arbeitgebers ist dann als ultima ratio eine auf die Krankheit gestützte personenbedingte Kündigung auszusprechen Deren Rechtfertigung unterliegt jedoch insgesamt strengen und langwierigen Voraussetzungen. Da nicht von vornherein zu erkennen ist, ob eine Suchterkrankung vorliegt oder nicht, haben viele Betriebe sogenannte Stufenpläne erarbeitet und eingeführt, durch die möglichst frühzeitig Probleme angegangen werden sollen. Dieses Vorgehen bietet den betroffenen Mitarbeitern Chancen zur frühzeitigen Erkennung und Abhilfe (z.B. Hilfsangebote zu betrieblichen oder externen Suchtberatern, Entziehungskuren). Aus Sicht des Arbeitgebers kann ein solcher Stufenplan am Ende als letztes Mittel eine Kündigung vorsehen, wenn die Stufen erfolglos durchschritten wurden. Eine rechtssichere Vereinbarung im Rahmen einer Betriebsvereinbarung unter Einbeziehung der Mitarbeitervertretung bietet sich hierfür an.
Häufen sich betriebliche Vorfälle mit Bezug auf berauschende Mittel, sollte der Arbeitgeber den Abschluss einer verbindlichen Betriebsvereinbarung zu diesem Thema anstreben. Damit kann er sowohl eine rechtssichere Handhabe bei bereits eingetretenen Fällen schaffen als auch präventiv den Rückgang von Unfällen erzielen.
Steffen Zimmermann