Sehr viele Unternehmen unterhalten Handelsbeziehungen zu Unternehmen im Ausland. Bei der Verhandlung von Verträgen über den internationalen Einkauf bzw. Vertrieb von Produkten stellt sich die Frage, welches Recht für einen solchen Kaufvertrag gelten soll. Wenn beide Vertragsparteien auf der Geltung ihres eigenen nationalen Rechts beharren, fällt der Blick auf das UN-Kaufrecht. Doch in vielen Verträgen wird das UN-Kaufrecht ausdrücklich ausgeschlossen (" unter Ausschluss des UNKaufrechts."). Ist das sinnvoll?
Was das UN-Kaufrecht ist: Das UN-Kaufrecht basiert auf dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf, abgeschlossen in Wien am 11. April 1980und ist in Deutschland seit dem 1. Januar 1991 Bestandteil des deutschen internationalen Privatrechts. Dies gilt gleichermaßen für zurzeit 85 andere Vertragsstaaten - darunter viele Euro-päische Staaten, die U.S.A., China, Japan und lateinamerikanische Staaten. Diese Vertragsstaaten repräsentieren ca. 85% des deutschen Außenhandels.
Was das UN-Kaufrecht regelt und wann es gilt: Das UN-Kaufrecht beinhaltet Spezialregelungen für den Kauf und Verkauf von Waren. Nicht geregelt sind andere Vertragstypen wie Miet- oder Leasingverträge, Werkverträge, Dienstverträge, Vertragshändlerverträge. Es gilt automatisch bei allen grenzüberschreitenden Kauf- und Werklieferungsverträgen über bewegliche Sachen zwischen Vertragsparteien, die ihre Niederlassung in unterschiedlichen Vertragsstaaten haben. Diese auto-matische Geltung ist auch der Grund dafür, dass ein Ausschluss der Geltung des UN-Kaufrechts im Vertrag ausdrücklich geregelt werden muss.
Welche Vor- und Nachteile es gegenüber dem BGB und HGB hat und für wen: Vorteile für den Käufer bietet das UN-Kaufrecht beispielsweise bei Schadenersatzansprüchen gegen den Lieferanten, da diese bei jeder Vertragsstörung verschuldensunabhängig gewährt werden (Garantiehaftung). Im BGB erfordert dagegen das Verschuldensprinzip, dass der Verkäufer nur für solche Schäden aufzukommen hat, die er auch "zu vertreten" hat, d. h. zumindest fahrlässig verursacht hat. Dabei kann und muss der Verkäufer zur Abwehr des Anspruchs den Gegenbeweis führen, dass er für die Pflichtverletzung "nichts kann".
Für den Verkäufer ist das UN-Kaufrecht z. B. dann vorteilhaft, wenn er verhindern will, dass der Käufer bei Lieferung einer mangelhaften Sache zu leicht vom Vertrag zurücktreten kann. Nach UNKaufrecht ist der Käufer nämlich erst dann zum Rücktritt berechtigt, wenn die Lieferung der mangelhaften Sache eine wesentliche Vertragspflichtverletzung darstellt.
Das BGB erlaubt den Rücktritt dagegen bereits dann, wenn die Nachbesserung der mangelhaften Sache fehlgeschlagen ist oder der Mangel nicht lediglich geringfügig ist. Auch steht dem Käufer ein Recht auf Lieferung einer neuen Sache nach UN-Kaufrecht nur zu, wenn die Lieferung des mangelhaften Produkts eine wesentliche Vertragspflichtverletzung darstellt. Nach dem BGB kann der Käufer hingegen frei zwischen der Nachbesserung der mangelhaften Sache und der Lieferung einer neuen, mangelfreien Sache wählen.
Insgesamt kann nicht gesagt werden, dass das UN-Kaufrecht grundsätzlich für den Käufer oder für den Verkäufer vorteilhafter ist. Dies hängt von der Interessenlage der Parteien im Einzelfall ab. Das Pendel kann je nach konkret geltend gemachtem Anspruch in die eine oder andere Richtung ausschlagen.
Das UN-Kaufrecht ausschließen oder nicht: Argumente für oder gegen das UN-Kaufrecht sind in der Praxis weniger aus Vorteilen zu ziehen, die einzelne Regelungen gegenüber dem BGB und HGB oder anderen Rechtsordnungen bieten. Es sollte viel häufiger beachtet werden, dass die Geltung des UN-Kaufrechts Vorteile für beide Vertragsparteien mit sich bringen kann: So kann eine langwierige Verhandlung über die Rechtswahl, bei der jede Partei auf der Anwendung ihres eigenen nationalen Rechts besteht, vermieden werden. Damit entfallen die oft erheblichen Kosten für die Prüfung des Vertrages nach einem fremden Recht. Dies gilt ebenso bei einem späteren Streit über die Umsetzung des Vertrags. Auch sind die mit Handelsfällen befassten Gerichte und Schiedsgerichte in der Regel gut mit dem UN-Kaufrecht vertraut.
Vor allem aber bietet das UN-Kaufrecht eine hohe Flexibilität. Seine Regelungen können vertraglich geändert oder ganz ausgeschlossen werden, was bei der Geltung deutschen Kaufrechts nur in geringerem Maße möglich ist. Zu berücksichtigen ist freilich, dass das UN-Kaufrecht ausschließlich kaufrechtliche Aspekte regelt, nicht jedoch andere Bereiche wie z. B. Fragen der Eigentums-verhältnisse an der Ware, der Verjährung oder der Aufrechnung. Diese Lücken sollten durch individuelle Regelungen im Vertrag ausgefüllt werden. Unterbleibt dies, müssten die Lücken durch eine oft schwierige Gesetzesinterpretation nach dem UN-Kaufrecht oder dem Internationalen Privatrecht (IPR) ausgefüllt werden.
Andreas Dömkes