Viele Verträge im unternehmerischen Verkehr enthalten Regelungen, nach denen es einer Partei möglich sein soll, sich im Fall der Insolvenz der anderen Vertragspartei vom Vertrag zu lösen. Verbreitet sind dabei sowohl auflösende Bedingungen, die zu einem automatischen Ende der Vertragsbeziehung führen sollen, als auch Kündigungsrechte. Diese sogenannten "insolvenzbedingten Lösungsklauseln" knüpfen entweder an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an oder an den Zeitpunkt des Insolvenzantrages.
Ob derartige Klauseln zulässig sind, war bisher stark umstritten. Der Bundesgerichtshof ("BGH") hat nun entschieden, dass derartige Klauseln nicht zulässig sind. Eine Ausnahme lässt der BGH nur dann zu, wenn die Klauseln auf einer gesetzlichen Regelung beruhen wie z. B. beim automatischen Ende einer Versicherung in der Insolvenz des Versicherers nach § 16 VVG.
Nach Auffassung des BGH führen insolvenzbedingte Lösungsklauseln dazu, dass das Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters unterlaufen werden kann. Durch das Erfüllungswahlrecht hat der Insolvenzverwalter die Möglichkeit, anhand der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen frei zu entscheiden, ob zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht vollständig erfüllte Verträge weitergeführt werden.
Zusammen mit den Regelungen zur Insolvenzanfechtung und zu Sicherungsmaßnahmen im vorläufigen Insolvenzverfahren schützt das Erfüllungswahlrecht die Insolvenzmasse. Es bildet damit eine der wesentlichen Grundlagen für die Sanierungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters.
Aufgrund der nunmehr durch den BGH geklärten Rechtslage laufen Lösungsklauseln ins Leere, die ausschließlich an die Insolvenz des Vertragspartners anknüpfen. Dem gegenüber bleiben Kündigungsrechte oder auflösende Bedingungen erhalten, die lediglich an typische Begleitumstände einer bevorstehenden Insolvenz anknüpfen. Beispiele hierfür sind Zahlungsverzug oder eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse im Vergleich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Solche Vereinbarungen bleiben auch in Zukunft wirksam.
Da im Insolvenzrecht das Territorialprinzip gilt, wirkt sich das Urteil nur auf in Deutschland geführte Insolvenzverfahren aus. Auf insolvenzbedingte Lösungsklauseln in anderen Rechtsordnungen findet es keine Anwendung. Aus diesem Grund können solche Klauseln in Verträgen mit internationalen Bezügen im Einzelfall weiter ihre Berechtigung behalten.
Uwe Pirl