Eine Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) ist Bestandteil des europäischen Wettbewerbsrechts. Sie ist eine Verordnung im Sinne des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union und gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten.
Wettbewerb bedeutet, dass verschiedene Unternehmen um die Gunst von Lieferanten und Abnehmern miteinander konkurrieren. Es hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein funktionierender Wettbewerb gesamtwirtschaftlich zu den besten Ergebnissen für die meisten Marktteilnehmer, insbesondere die Verbraucher führt.
Für das einzelne Unternehmen, das auf seinem Markt mit dem Angebot anderer konkurrieren muss, ist das Wettbewerbsprinzip jedoch unbequem. Deshalb haben Unternehmen immer wieder versucht, den Wettbewerb zu behindern oder auszuschalten. Dies kann beispielsweise durch verbotene Absprachen mit Wettbewerbern, missbräuchliche Verhaltensweisen gegenüber schwächeren Marktteilnehmern oder Übernahme lästiger Konkurrenten geschehen.
Damit das Anreizsystem der Marktwirtschaft wirken kann, muss der Staat den freien Wettbewerb schützen. Der deutsche und der europäische Normgeber haben Regeln erlassen, an die sich alle Marktteilnehmer halten müssen. In Deutschland bildet das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ("GWB") dazu den rechtlichen Rahmen. Nach § 1 GWB sind grundsätzlich alle wettbewerbsschädlichen Vereinbarungen oder Verhaltensweisen verboten und damit zivilrechtlich unwirksam. Man bezeichnet die Regelung auch als generelles Kartellverbot.
Von diesem Verbot gibt es nur eng umgrenzte Ausnahmen, die durch § 2 GWB allgemein beschrieben werden. Im Wesentlichen gleiche Regelungen finden sich auch im europäischen Recht.
Durch eine GVO werden Gruppen von eigentlich wettbewerbsschädlichen Vereinbarungen, Beschlüssen oder abgestimmten Verhaltensweisen von Unternehmen unter bestimmten, in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen vom grundsätzlichen Kartellverbot ausgenommen. Die GVO konkretisiert dabei verbindlich die in den gesetzlichen Vorschriften enthaltenen, sehr allgemeinen gehaltenen Voraussetzungen.
Je nach Anwendungsbereich, gibt es verschiedene Typen von GVOen. Manche knüpfen an bestimmte Formen der Zusammenarbeit an (wie z. B. die sog. "Vertikal GVO" für den Bereich des Vertriebs oder die "FuE GVO" für die Zusammenarbeit im Bereich von Forschung und Entwicklung). Andere wenden sich nur an bestimmte Branchen oder Marktsektoren (z. B. die Kfzoder die Versicherungsbranche). Die GVOen werden von Zeit zu Zeit überarbeitet und an die aktuellen wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen angepasst.
Jedes Unternehmen muss sein Verhalten im Markt im Hinblick auf die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit prüfen. Bei Verstößen drohen behördliche Auflagen und empfindliche Geldbußen sowie die Unwirksamkeit getroffener Vereinbarungen. Um dies zu vermeiden, müssen Unternehmen die in ihrer Branche geltenden Wettbewerbsregeln einschließlich der GVOen kennen und berücksichtigen.
Dr. Tilo Jung